Wien - Der deutsche Islamwissenschaftlers Udo Steinbach glaubt nicht, dass der jüngste Entführungsfall in Tunesien mit dem österreichischen Afghanistan-Mandat oder dem Wiener Islamistenprozess in Verbindung steht. Er empfiehlt eine Verhandlungslösung.

Der Tourismus sei eine wesentliche Einkommensquelle des tunesischen Staates und somit Hauptziel islamistischer Kämpfer bzw. Terroristen, sagt Steinbach. Der Politologe leitete von 1976 bis 2007 das Deutsche Orient-Institut in Hamburg. Heute ist er in Berlin tätig.

Videobotschaft als Warnung

In einer Audio-Botschaft - dessen Echtheit bisher nicht verifiziert werden konnte - hatten die mutmaßlichen Geiselnehmer erklärt: "Wir warnen westliche Touristen, die zur Entspannung nach Tunesien reisen, zu einer Zeit, in der unsere Brüder in Gaza von Juden unter der Mittäterschaft westlicher Staaten geschlachtet werden, (...) dass sie der abtrünnige tunesische Staat nicht schützen kann und nicht wird schützen können."

Zusammenhang ist spekulativ

Auf die Frage, ob ein Grund der Entführung durch eine nordafrikanische Splittergruppe der Al-Kaida im österreichischen Engagement in Afghanistan bzw. im aktuell laufenden Islamistenprozess in Wien liegen könnte, meinte Steinbach, dass "ein Zusammenhang wohl hergestellt werden könnte", jedoch sei dies eher "spekulativ". Statt zum Einsatz von Militär zur Befreiung der Geiseln riet der Politologe, man solle "den Weg der Verhandlung gehen." Noch aber gab es keine Forderungen seitens der mutmaßlichen Entführer.

Drohungen nach Bombenanschlag

Die Aktivitäten und Drohungen islamistischer Terror-Gruppen sind seit dem Tod des Hisbollah-Anführer Imad Moughniyah im vergangenen Monat intensiver geworden. Der 45-Jährige war am 13. Februar durch eine Autobombenanschlag in Beirut getötet worden. Die islamische Welt macht Israel für diese Aktion verantwortlich. Moughniyah wurde seinerseits für zahlreiche Entführungen westlicher Ausländer im Libanon in den 1980er Jahren verantwortlich gemacht. Unter Umständen sei ein Zusammenhang mit diesen Drohungen zu sehen, die aber nicht speziell gegen Österreich, sondern gegen Israel und die westliche Welt allgemein gerichtet seien, so Steinbach. (APA)