Wachstum von 53 Prozent
So lassen die von der US-amerikanischen Organisation Organic Exchange veröffentlichten Zahlen zum Bio-Baumwollmarkt für die Saison 2006/07 aufhorchen. Das Wachstum für die Faserproduktion sei um 53 Prozent gegenüber des Vorjahres gestiegen. Weltweit wurden somit 57.931 Tonnen Bio-Baumwolle produziert. Zusätzlich prognostiziert die Organisation für das kommende Jahr ein weiteres Ansteigen der Mengen.
Vergiftungen durch Pestizide
Das ist vor allem ein Segen für die Bauern in Indien, China oder der Türkei. Sie leiden seit Jahren unter denkbar schlechten Bedingungen. Ihr Risiko sind Pestizide. Durch den hohen Schädlingsbefall werden konventionelle Baumwollfelder zwischen zehn und 25 Mal pro Saison mit Spritzmittel behandelt. "Meistens arbeiten die Bauern ungeschützt und barfuß mit einer einfachen Rückenspritze", so Werner Müller, der in Österreich das Biobaumwoll-Label Ainoah betreibt. "Die Folge sind schwere Vergiftungserscheinungen."
Bewusstlosigkeit und neurotoxische Symptome
Das international agierende Pestizid-Aktionsnetzwerk PAN sammelte die Fälle und kommt zu dem Schluss, dass es bei 38 Prozent der Betroffenen zu mittelschweren Symptomen wie Muskelkrämpfen oder Erbrechen kommt. Wirklich erschreckend: sechs Prozent der Bauern leiden unter so schweren Vergiftungserscheinungen, dass die Folgen sogar zur Bewusstlosigkeit führen oder neurotoxische Symptome auftreten. (Quelle: Studie der Universität Wageningen, Mancini et al. 2005).
Langzeitfolgen, so der Umweltexperte Müller seien aber leider noch keine erfasst. "Somit können chronische Erkrankungen heute noch nicht zurückverfolgt werden."
Gentechnisch veränderte Pflanzen
Letzte Woche wurde Werner Müller für sein Biobaumwolllabel mit dem Wiener Umweltpreis ausgezeichnet. Noch vor fünf Jahren war er der Gentechnik Experte bei Global 2000. "Man kann nicht nur kritisieren, man muss auch Lösungen anbieten. Und so habe ich mich in den Handel mit Biobaumwollprodukten gewagt", erklärt er seinen beruflichen Umschwung. Dem Thema Gentechnik ist er aber treu geblieben. Denn ein Großteil der konventionell angebauten Baumwolle ist bereits heute gentechnisch verändert.
Profit mit Spritzmittel und Saatgut
Die gentechnisch veränderten Pflanzen sollten Pestizide reduzieren. Kurzfristig war das auch möglich. Mittlerweile sind aber viele Insekten resistent, so dass neue Sorten entwickelt werden müssen oder wieder mehr Spritzmittel eingesetzt werden. Die Gewinner sind die Produzenten von Spritzmitteln und Hersteller von gentechnisch verändertem Saatgut. Auf der Verliererseite stehen hingegen die Landwirte mit Gesundheitsschäden und einer steigenden Verschuldung.
Sythetische Gene in Futtermittel
"Wenn die Baumwolle auf den Feldern abgeerntet ist, kommen die Bauern mit ihren Schafen oder Ziegen und lassen sie weiden. Da gibt es dann offensichtlich Probleme. Also die Tiere sterben einfach." Müller hält synthetische Gene nicht für risikolos. Zusätzlich sei der Weg der synthetischer Gene in die Nahrungskette bereits Realität: "Die Kerne der Baumwolle werden gepresst und dienen als Futtermittel. Auch ein Pflanzenöl wird daraus gepresst. In Europa ist das zugelassen und kommt als 'Mischöl' auf den Markt."
Chemische Gefahr der Färbereien
Die chemische Gefahr liegt in der Verarbeitung. Laut Konsument werden rund 8000 Chemikalien eingesetzt. Darunter zum Beispiel schwermetallhältige Substanzen wie Blei und Azofarben. Im benachbarten Bayern wurde das gesundheitlich relevante Thema "Schadstoffe in der Kleidung" gar im Landtag diskutiert. Einer der Beweggründe hieß "synthetische östrogene Stilbene". Diese wurden vor Jahren in der Kälbermast eingesetzt und wegen ihrer nachgewiesenen cancerogenen Wirkung dort verboten. Als optische Aufheller haben sie jedoch in der Textilindustrie einen fixen Platz.
Trendwende