Versicherungsprodukte gibt es fast so viele wie Sand am Meer. Sogar der unwahrscheinliche Fall, von einem Kometensplitter getroffen zu werden, ist versicherbar. Eine Polizze gegen Kidnapping aber gibt es nicht.

"Entführungen sind kein gedeckter Tatbestand, niemand versichert so was", sagte Martin Sturzlbaum, Chef der Europäischen Reiseversicherung (ERV), dem Standard. Es sei auch klar, warum. "Wenn sich herumspricht, dass eine Versicherung das abdeckt, würden die Leute erst recht zum Zielobjekt von Entführern. Die wüssten dann ja, dass sie schnell zu Geld kommen", sagte Sturzlbaum.

Sache des Staates

Entführungen seien somit immer eine Sache des Staates. Wird ein Lösegeld gezahlt, zahlt in der Regel die Allgemeinheit. Der Staat kann allerdings bis zu 20.000 Euro an Kostenersatz für Schutzmaßnahmen und/ oder Hilfsleistungen verlangen. Dies dann, wenn sich Touristen grob schuldhaft in eine Situation begeben haben, die nach Einschätzung des Außenministeriums Schutzmaßnahmen erforderlich machten. Dies gelte nicht nur für Reisen in gefährliche Gebiete, sondern auch für Rettungsmaßnahmen im Ausland bei Lawinen oder aus Bergnot. Als grob schuldhaft gilt dabei etwa die unzureichende Berücksichtigung allgemein zugänglicher Informationen über Gefahrenpotenziale, wie sie in den Reiseinformationen des Außenministeriums regelmäßig aufgelistet werden. Das neue Konsulargebührengesetz, auf denen die Regressmöglichkeit des Staates fußt, ist mit Juli 2006 nach einer Reihe von Entführungen im Jemen und in der Sahara in Kraft getreten.

Während viele Versicherungen auch die Kosten für die medizinische Betreuung von Entführungsopfern ausklammern, ist dies bei der Europäischen inkludiert. Dasselbe gilt für die medizinische Betreuung im Fall eines Erdbebens oder Tsunamis.

Abenteuerreisen im Trend

Entführungen würden als singuläres Ereignis gewertet, sagte Sturzlbaum. Die Europäische Reiseversicherung ist mit einem Marktanteil von 60 Prozent Nummer eins in Österreich. Seit den Terroranschlägen von New York im Herbst 2001 würden generell mehr Reiseversicherungen abgeschlossen. Waren es vorher 45 Prozent der Reisenden, die sich versichert haben, seien es inzwischen 60 Prozent.

Trotz der jüngsten Entführungsfälle ist kein Ende des Booms bei Abenteuerreisen zu sehen. Reisen in Regionen, die etwas abseits der üblichen Touristenpfade liegen, sind im Trend.

"Wir bieten seit 18 Jahren solche Reisen an, passiert ist noch nie etwas", sagte Thomas Döbrösy, ein Pionier auf diesem Gebiet in Österreich. Er ist zusammen mit Walter Hofer Gründer und Eigentümer von Pineapple-Tours. Das Unternehmen, das vor zwei Jahren nach Deutschland expandiert hat, setzt 18 Mio. Euro um und hat bisher rund 150.000 Leute in den Urlaub begleitet. Döbrösy: "Jeder zweite Gast ist Stammkunde."

Tunesien-Reise geplant

Für den nördlichen Teil der tunesischen Wüste bestehe auch nach dem aktuellen Entführungsfall "kein erhöhtes Sicherheitsrisiko". Davon geht zumindest der Linzer Veranstalter von Expeditions- und Trekkingreisen, Edi Koblmüller, aus. Koblmüllers Agentur Die Bergspechte will auch in den nächsten Tagen eine Reise in die Wüste Tunesiens durchführen, so die Teilnehmer dies noch wollen. Allerdings nicht in das "sogenannte Sperrgebiet" im Süden Tunesiens. Für dieses bekomme man derzeit "ohnehin kein Permit", sagte Koblmüller. (Günther Strobl, Thomas Neuhold, DER STANDARD Printausgabe, 12.3.2008)