Wien - Mehr als 1,3 Mrd. Schilling hat die Bawag nach Unterlagen des einstigen Bankchefs Walter Flöttl in den 70er und 80er Jahren für ÖGB, SPÖ und Konsum eingesetzt. Dies geht aus den "Keller-Briefen" des Ex-Bankchefs hervor. Der Banker beklagte in Briefen von November 1989 an den damaligen ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch die daraus erwachsenen Belastungen und Ertragseinbußen für seine Bank. "Die Presse" zitiert in ihrer Mittwochausgabe aus der Korrespondenz. Flöttl schilderte, um welche Summen er dem ÖGB damals Notenbank-Anteile abgekauft hat und welche Gefahr aus Krediten an den (später Pleite gegangenen) Konsum Österreich erwachsen war. Aus der einstigen "Konsumbank" wurde übrigens im Jahr 1995 per Fusion mit der REWAG die "Kapital & Wert Bank".

In einem Ende Februar 2008 im "Flöttl-Keller" gefundenen Brief schrieb der Ex-Bankchef im November 1989 an Verzetnitsch: "Fasst man die Vermögensübernahmen, Nachlässe und Zuschüsse durch die Bawag im Interesse der Aktionäre seit 1972 bis jetzt zusammen, so hat die Bawag1,312 Milliarden an Kapitalmittel eingesetzt. Diese Summe verteilt sich mit 310 Mio. auf die SPÖ, 232 Mio. auf den Konsum Österreich und 770 Mio. auf den ÖGB." Das habe für die Bank einen jährlichen Ertragsverzicht von 80 Mio. bedeutet. ÖGB und Konsum waren zu diesem Zeitpunkt Eigentümer der Bawag. Der ÖGB hat noch am Dienstag Abend erklärt, dem Staatsanwalt Einschau in die alten Konten gewähren zu wollen.

"Streng vertraulich"

In einem "streng vertraulichen" Schreiben beschrieb der Ex-General der Bank am 20.11.1989 mit Verweis auf "dazugehörige statistische Unterlagen, die ich in aller Eile zusammengestellt und noch Freitagabend dem Kollegen Tumpel (AK, Anm.) zur Verfügung gestellt habe", viele "Leistungen", etwa auch dass die Bawag dem Großkunden ÖGB mehr Einlagenzinsen bezahlte als sie ihm Kreditzinsen verrechnete:

"Auf der einen Seite zahlt der ÖGB für seine Kredite weniger Zinsen als er für seine Einlagen, die ihm durch unsere Leistungen erst ermöglicht wurden, an Zinserträgnis bekommt", schreibt Flöttl, und weiter: "im Kapital-gewogenen Schnitt 6,66 Prozent Zinsen für Kredite und 8,1 Prozent Zinserträgnisse für besondere Einlagen."

231,7 Mio. umfassten dem Ex-Bawag-Chef zufolge die Nachlässe und ertragslosen Vermögensübernahmen im Zusammenhang mit Vorwärts, Express, Presse-Haus und Elbemühl, "wodurch die BAWAG einen entscheidenden Beitrag zur Bereinigung der Druck- und Presseaktivitäten der SPÖ Anfang der 70er-Jahre geleistet hat", wie die "Presse" aus einem mit 21.11.1989 datierten Flöttl-Brief an Verzetnitsch zitiert.

"Faktisch insolvente Ruefa"

Den Bank-Beitrag betreffend die Ruefa, bis 1975 im 100-prozentigen Eigentum der SPÖ, bezifferte er mit einem Mitteleinsatz von rund 68 Mio., "wobei wir die 1976 faktisch insolvente Ruefa übernommen... haben."

"Nicht unerwähnt sollte auch bleiben", so Flöttl im Brief, "dass wir rund zehn Mio. Nachlässe als Hilfestellung für die Aufrechterhaltung der Bilanzierungsfähigkeit bei Leykam und Gutenberg in den 70er-Jahren geleistet haben.

Zu den Vorgängen beim Konsum schrieb Flöttl: "1979/80 hat die Bawag auf Wunsch ihrer Aktionäre die Konsum-Bank um 165 Mio. S, einem Wert, der in keinem Verhältnis zur Ertragskraft stand, übernommen"... "Mit der Konsum-Bank hat die Bawag auch die schwer angeschlagene Gara, die in bankmäßig unvertretbarer Weise Kredite vergab, übernommen, mit rund 67 Mio. saniert, d.h., diesen Beitrag abgeschrieben und zur Gesundung mit dem Bawag-Kreditverband verschmolzen und reorganisiert. In Summe wurde demzufolge die Bawag mit 232 Mio. belastet, wovon 165 Mio. dem Konsum Österreich zugeflossen sind und 67 Mio. die Bawag direkte Ertragseinbußen erlitt ...

"Der Gesamtkomplex hat auch 1987 noch zu Belastungen der BAWAG geführt, da aus legistischen Gründen mit zeitlicher Verzögerung eine Beteiligungsberichtigung der Konsum-Bank-Beteiligung an der Gara vorgenommen wurde, wodurch eine Dividendenzahlung der Konsum-Bank an die Bawag verhindert wurde. Der gravierendste Punkt die Konsum-Bank betreffend, die rund zwei Milliarden Kreditlinien dem KÖ als faktisch alleinigem Kunden zur Verfügung stellt, ist jedoch die Auswirkung des neuen Kreditwesengesetzes im Hinblick auf die Großveranlagungsbestimmungen", schrieb Flöttl. "Ende 1991 läuft die Übergangsbestimmung, wo wir trotz Intervention kein Zugeständnis des Finanzministeriums erreichen konnten, ab, und die Konsum-Bank kann dem Konsum Österreich maximal 100 Mio. Kreditlinien zur Verfügung stellen. Damit fehlt der Konsum-Bank die Geschäftsgrundlage, und der Beteiligungsansatz von 165 Mio. (ist ursprünglicher Kaufpreis) ist aus heutiger Sicht vermutlich zum Großteil abzuschreiben."

Akribisch beschrieb Flöttl auch Transaktionen mit Notenbank-Aktien: "In den Jahren 1985 (Nom. 5 Mio., Kaufpreis 235 Mio.) und 1988 (Nom. 5 Mio., Kaufpreis 242 Mio.) haben wir vom ÖGB OeNB-Aktien im Nominale von zusammen 10 Mio. um einen Kaufpreis von zusammen 477 Mio. erworben. Bezieht man die Dividende von 1 Mio. per anno auf den Kapitaleinsatz von 477 Mio., ergibt sich für die BAWAG eine Verzinsung von nur 0,2 Prozent. Gegenüber einer möglichen Aktivverzinsung von zumindest 8 Prozent bedeutet dies einen jährlichen Nachteil für die Bawag von 37,2 Mio."

Schließlich gab es ein paar Immo-Deals: 1986 habe die Bawag die vier ÖGB Liegenschaften Gloriettegasse, Strudlhof, Treitlstraße und Palais Strudlhof um 280 Mio. übernommen. Der ÖGB habe für zurückgemietete Objekte extrem niedrige Mieten gezahlt. "In Summe hat die BAWAG daher aus diesen Vermögenswerten eine jährliche Ertragseinbuße von über 48 Mio"., merkt Flöttl in seiner Niederschrift für den ÖGB-Präsidenten an.

ÖVP will Aufklärung - SPÖ auch

"Ein weiteres Indiz für SPÖ-Parteienfinanzierung" sind die jüngst aufgetauchten Briefe von Ex-Bawag-General Walter Flöttl für die ÖVP. Die SPÖ habe "immer größeren Erklärungsbedarf", stellte der VP-Abgeordnete Helmut Kukacka am Mittwoch fest. Es sei "kein Geld von der Bawag an die SPÖ geflossen", ist sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina hingegen sicher. Er bekräftigte in einer Aussendung, dass seine Partei jedenfalls an der vollen Aufklärung der Causa interessiert sei.

Kukacka will nun die Verantwortungen klären und hinterfragen, wer "von den Geldflüssen und finanziellen Unterstützungen wusste". Zweifellos sei Ex-Gewerkschaftsboss Fritz Verzetnitsch nicht das "Ende der Geldfahnenstange, sondern erst der Anfang", so der Abgeordnete. Außerdem glaube niemand daran, dass ab dem Jahr 1989 Schluss mit der finanziellen SPÖ-Parteienfinanzierung durch Bawag und ÖGB gewesen sei, so der VP-Politiker.(APA)