Anders liegen die Dinge in Polen, wo im Zuge eines Machtkampfes innerhalb der kommunistischen Staatspartei eine der übelsten als "antizionistisch" kaschierten antisemitischen Kampagnen ab März 1968 fast 15.000 Überlebende des Holocausts und ihre Kinder aus dem Land vertrieben hat. Dass gerade in diesen Tagen der polnisch-amerikanische Autor Jan Tomasz Gross mit seinem Buch "Angst" bisher verschwiegene Tatsachen über die antisemitischen Ausschreitungen nach dem Krieg und die Komplizenschaft der katholischen Kirche beschrieb, löste neue Hasstiraden gegen Juden aus. Die neuen Spannungen überschatten auch die Bemühungen um eine öffentliche Entschuldigung wegen der 1968 entfesselten Hetzkampagne. Dass gerade die Symbolfigur des studentischen Widerstandes, der 1968 zu drei Jahren Haft verurteilte Adam Michnik, bei der Ordensverleihung an die einstigen Studentenführer vom Staatspräsidenten ignoriert wurde, spricht Bände über das Demokratieverständnis der Kaczynski-Brüder.
Vierzig Jahre sind auch vergangen seit dem "Prager Frühling", dem Bestreben der Reformkommunisten, dem Sozialismus ein "menschliches Antlitz zu geben", zermalmt im August durch die Panzer der alarmierten Sowjetführung. In Wien und anderswo im Westen werden großangelegte wissenschaftliche Konferenzen vorbereitet. Angesichts der scharfen innenpolitischen Auseinandersetzungen und der Pattsituation im tschechischen Parlament nimmt allerdings die politische und intellektuelle Elite keinen allzu regen Anteil am gescheiterten Experiment, den Kommunismus zu reformieren.
In Österreich ist indessen die mediale und wissenschaftliche Aufarbeitung des "Anschlussjahres" 1938 in vollem Gange, und das Bedauern mancher Historiker über die "Abkühlung der Geschichte" oder die "erkaltete Erinnerung an 1938" wirkt fast künstlich. Ganze Zeitungsbeilagen und eine Reihe von Neuerscheinungen, TV-Dokumentationen und Rundfunksendungen behandeln alle möglichen Facetten der dramatischen Entwicklung. Wichtig sind auch die letzten Umfragen des GFK-Institutes, die mehr Interesse (49 Prozent) an Zeitgeschichte zeigen als noch vor 20 Jahren (38 Prozent) und auch eine kritischere Einstellung zu den Umbrüchen von März 1938 als 1980.