"Ich kann mich ganz genau erinnern", sagt Leo Luster, "es war an einem Freitag, ein sehr schlechter Tag, sogar das Wetter war schlecht". Gemeint ist der Tag vor 70 Jahren, an dem Österreichs "Anschluss" an Hitlerdeutschland vollzogen wurde. Leo Luster, Jahrgang 1927, ist einer von rund 200 ehemaligen Österreichern, die aus allen Teilen Israels zu einer Gedenkveranstaltung in Tel Aviv gekommen sind. Beim "Zentralkomitee der Juden aus Österreich in Israel" sind noch rund 2500 Mitglieder registriert; ursprünglich waren es geschätzte 10.000 Juden, die in der Nazizeit von Österreich aus das spätere Israel erreichen konnten.
An den schlechten Tag im März 1938 und die Wochen danach erinnert sich auch die jetzt 85-jährige Liesl Spitz ganz genau; sie tritt als eine der Zeitzeuginnen ans Mikrofon. "Die Leute waren wie losgelassene Wilde", erzählt die zerbrechlich wirkende, aber glasklar formulierende Exwienerin dem Standard.
Dankbar für Gesten aus der alten Heimat
Der junge und noch ziemlich neue Botschafter Österreichs, Michael Rendi, registriert, dass die 38er-Generation "unendlich dankbar" ist für alle Gesten, die aus der alten Heimat kommen. "Ich bin sehr freundlich aufgenommen worden", sagt er.
Umgekehrt bekommt Rendi auch einige Kritik zu hören. Die Entschädigung von 210 Millionen Dollar für geraubtes jüdisches Vermögen im Wert von 30 Milliarden Reichsmark sei "viel zu klein", sagt Gideon Eckhaus, der Vorsitzende des Zentralkomitees. Nachher ist der Botschafter aber erleichtert, weil ihn niemand auf die jüngsten Habsburg-Äußerungen zum Thema "Anschluss" angesprochen hat. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 13.3.2008)