Sind sie zur Besinnung gekommen? In den Reden von Vizekanzler und Kanzler zum 70. Jahrestag des "Anschlusses" im Jahr 1938 klang deutlich ein Bekenntnis zu einer Grundgemeinsamkeit in der Demokratie durch. Wilhelm Molterer wies zunächst die reine Opfertheorie zurück, indem er von den "sehr vielen, zu vielen" Österreichern sprach, die sich an den NS-Verbrechen beteiligten. Dann sprach er ausführlich über das "Grundvertrauen" in der Demokratie: "Diese Pflicht zum Miteinander ist keine einfache Botschaft. Sie fällt niemandem leicht, denn Politik lebt auch vom Wettbewerb."

Alfred Gusenbauer führte den Untergang der Ersten Republik auf die Unfähigkeit der damaligen Parteien zurück, der Nazi-Bedrohung "gemeinsam Paroli zu bieten". Die Anknüpfung an die aktuellen Politik stellte er durch eine Absage an die "Verrohung der Sprache in der Politik" her: "Vor den Taten steht das Wort. Wir sollten strenger zu uns sein und uns bewusst sein, wohin die Verrohung der Sprache führt."

Man soll die Reden bei solchen Feierstunden nicht überschätzen. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass die Chefs von SPÖ und ÖVP nachdenklich geworden sind. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 13.3.2008)