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"Das war sicher keine PR-Aktion."

APA/Helmut Fohringer
Hannes Rossacher, Regisseur, Filmproduzent und Teil des Produzentenduos DoRo dreht gerade einen Film über Waris Dirie. In "The long way home" soll die Lebensgeschichte des Ex-Models und (Ex-)UN-Sonderbotschafterin erzählt werden: Ihre Kindheit in der Wüste, ihre zufällige Entdeckung als Model, als sie Putzfrau bei McDonalds war, ihr Aufstieg zum Top-Model und die Schwierigkeiten mit ihren Eltern. "Ihre Mutter befürwortet die Genitalbeschneidung nach wie vor. Die Beschneiderin ist eine Freundin der Familie", sagt Rossacher. "Und ihr Vater nimmt es ihr immer noch übel, dass sie ihm das Geschäft verdorben hat, indem sie damals vor ihrer Heirat davongelaufen ist". Ein Teil des Filmes wird auch in Brüssel spielen, denn Rossacher war dort auf der Suche nach Waris Dirie.

derStandard.at: Sie waren mit Waris Dirie in Brüssel: Warum eigentlich? Wie haben Sie die Situation erlebt?

Rossacher: Ich habe Dirie vergangenen Sommer kennengelernt. Sie war damals auf der Suche nach jemandem, der sie porträtiert und hat sich für mich entschieden. Für diesen Film wollte ich ihren Auftritt bei der EU-Konferenz covern. Ich bin allerdings erst am Morgen nach ihrem Verschwinden in Brüssel angekommen, da war das Management schon auf Spurensuche. Aber selbst, wenn ich am selben Abend mit ihr dort gewesen wäre, hätte ich sie wohl nicht begleitet. Waris Dirie hat ja auf Einladung von der EU in einem "five star" Hotel gewohnt und ich in einem ganz anderen.

Als wir hörten, dass Dirie verschwunden war, sind wir sofort die Route abgefahren, haben Nachtportiere, Klubbesitzer und Polizei "gecovert".

derStandard.at: Erst findet sie ihr Hotel nicht, dann läuft sie der Polizei davon. Als sie schließlich wieder auftaucht, soll anfangs alles in Ordnung sein, dann ist sie doch von einem Taxifahrer entführt worden: Diries Geschichte klingt ziemlich widersprüchlich - Halten Sie sie für glaubwürdig?

Rossacher: Absolut. Das Problem ist, dass Waris Dirie zwischen zwei Kulturen sitzt. Sie hat in der weißen westlichen Welt zwar große Erfolge gefeiert, ist aber nie hier angekommen, hat sich hier nie wohlgefühlt. Der Hintergrund zu der Geschichte ist ein wahnsinniger kultureller Unterschied. Dirie tickt anders, sie hat eine völlig andere Sozialisation. Bis sie 14 Jahre alt war führte sie ein Nomadenleben, zog von Wasserloch zu Wasserloch und war bis 19 Analphabetin.

Sie müssen sich vorstellen, sie kommt nach Brüssel, in eine große fremde Stadt. Da fragt sie sich: wo ist mein "Tribe"? Sie sucht einen schwarzen Klub, einen, wo Leute tanzen. Sie hat an diesem ersten Abend sicher etwas getrunken, aber das war nicht der Grund für ihre Orientierungslosigkeit.

derStandard.at: Die ganze Geschichte beruht also auf Missverständnissen?

Rossacher: Ja. Als sie zum Beispiel zur Polizei geht und um Hilfe bittet sagt sie: "I´m here to represent myself." Der belgische Polizist spricht nur französisch, sie nur gebrochen englisch und dadurch verstehen sie einander nicht.

Und später, während die Polizisten mit ihr Hotels abfahren: jeder Weiße würde sich denken, dass es nur eine Frage der Zeit ist, ehe sie das richtige Haus finden. Für Dirie war die Situation eine ganz andere: Als der Polizist gerade in der Lobby eines Hotels war, um nachzufragen, ist sie ausgestiegen, weil sie eine Zigarette rauchen wollte. Dass sie rausgesprungen sei ist nachträglich von Seiten der Polizei geschönt worden, weil es ihnen peinlich war, dass sie sie verloren haben. Waris Dirie aber ging inzwischen Zigaretten schnorren und dabei schaltete sie auf "Desert-Mode" um, switchte quasi in ein anderes Raum-Zeit-Kontinuum. Dirie hat, nachdem sie 14-jährig nach England gekommen ist, lange Zeit halb auf der Straße gelebt. Sie hat die "Streetsmartness" und wird nicht weinerlich, wenn es nichts zu essen gibt, das kennt sie aus der Zeit,als sie noch in der Steppe herumgezogen ist.

derStandard.at: Laut Medienberichten soll die ganze Aktion eine PR-Aktion für Ihren Film gewesen sein.

Rossacher: Das war sicher keine PR-Aktion. Hätten wir eine solche geplant, wäre die ganz anders abgelaufen. Dann hätte Dirie an der Konferenz teilgenommen, Condoleezza Rice die Hand geschüttelt und dann erst hätten wir sie verschwinden lassen. Dann hätten wir "best of both worlds" im Kasten gehabt.

In Wahrheit hat die belgische Polizei gesagt, dass die ganze Sache nicht öffentlich gemacht werden darf. Dass es dieses Taxi, in das Dirie angeblich gesprungen ist, als sie aus dem Polizeiwagen gefohlen sei wirklich gegeben hat, ist stark anzuzweifeln. Die erste Meldung wurde deshalb durch eine PR-Firma publik, damit es nicht heißt, Lutschinger (Anm.: Diries Manager ) habe die Geschichte öffentlich gemacht.

derStandard.at: Ist es nicht kontraproduktiv, die Hauptdarstellerin ihres Filmes in einer, nicht allzu vorteilhaften Verfassung im Krankenhaus zu filmen?

Rossacher: Es war so, dass Waris Dirie, nachdem sie gefunden wurde nur noch eine warme Mahlzeit, ein heißes Bad und nach Hause wollte. Doch die Einvernahme dauerte gut drei Stunden. Die Chemie zwischen der Einvernehmerin und Dirie stimmte nicht und sie sind laut geworden. Letztendlich hat sie den Polizeipräsidenten gebeten, im Protokoll festzuhalten, dass sie den Fensterputzer (Anm.: der Mann, in dessen Begleitung Dirie gefunden wurde) erst eine Stunde zuvor kennengelernt habe, weil sie müde war.

Der Grund, warum wird dann dieses Statement im Krankenhaus aufzeichneten, war der, dass sich dieser Fensterputzer veranlasst sah, über die Medien diverse Geschichten zu erzählen.

derStandard.at: Wie interpretieren Sie Diries Vorwürfe gegenüber der Polizei?

Rossacher: Aufgrund ihrer Geschichte, sie lebte, wie gesagt eine Zeit lang so gut wie auf der Straße, hat Dirie bereits einige schlechte Erfahrungen mit Polizisten gemacht. Auch später als Model wurde sie aufgrund ihrer damaligen Staatenlosigkeit oft schlecht behandelt. Deshalb hat sie "zero tolerance". Beispielsweise hat einer der belgischen Polizisten, als sich Dirie im Auto eine Zigarette anzünden wollte gesagt, er würde sie deswegen verhaften. Später meinte er, das sei ein Scherz gewesen. Nur für Dirie war das völliger ernst.

derStandard.at: In der ATV-Sendung "High Society", in der Sie auch interviewt wurden, wurde zumindest angedeutet, dass Waris Dirie nicht nur dem Alkohol zusprechen, sondern bei Auftritten in der Vergangenheit auch anderes im Spiel gewesen sein soll. Geht es um Drogen?

Rossacher: Von Drogen habe ich keine Wahrnehmung. Waris Diries Droge ist sicher der Alkohol. Ihr Problem damit ist bekannt, darüber hat sie auch ein Buch geschrieben. (Birgit Wittstock, 13.03.2008, derStandard.at)