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Interesse an leisen Existenzen: Der Leipziger Clemens Meyer.

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Die Bierflasche ging hoch. Der Freudenschrei war überlaut. Und der Applaus ohrenbetäubend. Als am Donnerstagnachmittag in der Glashalle des Messegeländes der Preisträger des "Preises der Leipziger Buchmesse" in der Kategorie Belletristik verkündet wurde, war Clemens Meyers Freude überschäumend. So wie der Inhalt seiner Flasche. Vor zwei Jahren ging er bei dieser Auszeichnung – deren Aura nicht ganz so stark ist wie jene des zur Frankfurter Buchmesse übersiedelten Deutschen Buchpreises – noch leer aus. Dieses Jahr setzte er sich mit Die Nacht, die Lichter (S. Fischer), einer Sammlung von 15 Kurzgeschichten, in denen Menschen am unteren Rand der Gesellschaft versuchen, sich ihr bisschen Lebensglück zu erkämpfen, durch gegen politische Romane.

Gegen Teil der Lösung etwa des Berliners Ulrich Peltzer, das seit seinem Erscheinen im vergangenen Herbst von der Kritik hochgelobt, aber bei Preisverleihungen stets übergangen worden ist. Gegen Jenny Erpenbecks ostdeutsches Familienpanorama Heimsuchung, den stillen Favoriten der Shortlist.

Dass mit dem Deutsch-Iraker Sherko Fatah (Das dunkle Schiff, erschienen im Salzburger Verlag Jung und Jung) und dem Deutsch-Türken Feridun Zaimoglu (Liebesbrand) zwei Autoren mit nichtdeutschem Familienhintergrund in die engste Auswahl des Preises kamen, unterstreicht eines: Die deutschsprachige Gegenwartsliteratur wird welthaltiger.

Und das auf unterschiedliche Weise: Mit großem Ernst in Fatahs Geschichte eines jungen Kurden, der erst religiösen Fanatikern und später der europäischen Asylbürokratie in die Hände fällt. Und amourös-heißglühend in Zaimoglus Liebes-Roadmovie, das von der Türkei über Kiel nach Wien führt.

Der Preis in der Kategorie "Sachbuch/Essayistik" ging an die Berlinerin Irina Liebmann für die Biografie ihres Vaters Rudolf Herrnstadt ( Wäre es schön? Es wäre schön? ). Und der 78-jährige Fritz Vogelgsang wurde für seine Übertragung von Joanot Martorells altkatalanischem Epos Roman vom Weißen Ritter Tirant lo Blanc geehrt. (Alexander Kluy aus Leipzig, DER STANDARD/Printausgabe, 14/15.02.2008)