Bild nicht mehr verfügbar.

Königin Elisabeth II. mit der traditionellen Leibgarde, den Yeomen of the Guard. Eine Bürgerschaftskommission will jetzt alle jungen Briten auf „queen and country“ schwören lassen.

Foto: AP/Johnny Green
Großbritanniens Regierung will das „Britisch-Sein“ definieren und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Die Initiative stößt auf starke Kritik. Eine neue Studie belegt, dass sich viele Einwanderer nicht integrieren wollen.

***
Bisher schwören nur Unterhausabgeordnete, Soldaten und Eingebürgerte einen Treueeid auf die britische Königin. Wenn es nach den Vorstellungen einer Bürgerschaftskommission geht, die Premier Gordon Brown eingesetzt hat, sollen in Zukunft alle jungen Briten öffentlich ihre Treue zu „Queen and country“ bekennen. Solche Bürgerschaftsfeiern zum Ende der Schulzeit könnten bei 16-Jährigen „das Gefühl stärken, dass man Teil einer Gemeinschaft ist“, glaubt Kommissionschef Peter Goldsmith. Der Exgeneralstaatsanwalt befürwortet außerdem einen britischen Nationalfeiertag sowie Steuernachlässe für Bürger, die sich freiwillig für die Gesellschaft engagieren.

Die Goldsmith-Kommission gehört zu einer Vielzahl von Arbeitsgruppen, die der Frage nach dem Wesen des Britischen nachgehen. Dahinter steckt eine weitverbreitete Unsicherheit über die Zukunft und die gemeinsamen Werte der multikulturellen Gesellschaft auf der Insel. Die Terroranschläge von jungen Briten asiatischer Abstammung im Juli 2005 und im Juni 2007 haben die Fragen nach der Loyalität großer Einwanderergruppen lauter werden lassen. Der aus Schottland stammende Premier Brown will mit der Betonung alles Britischen außerdem den Nationalisten seiner Heimat das Wasser abgraben, die der Unabhängigkeit Schottlands das Wort reden.

Goldsmiths Treueeidzeremonien in identitätsstiftenden Gebäuden wie dem Londoner Tate-Kunstmuseum oder der Burg von Edinburgh stößt bei Experten und in den Medien auf breite Ablehnung. „Unausgegoren“, findet ein Lehrergewerkschaftssprecher die Idee, „eine leere Geste“ sieht die Exchefin des British Council, Helena Kennedy. Die konservative _Times sprach der Regierung das Recht ab, eine Identität zu diktieren: „Britisch-Sein zu definieren ist eigentlich ziemlich unbritisch.“

„Mauer des Schweigens“

Dass sich viele Einwanderer der Integration verweigern, macht eine Studie des Unterhauses zu Zwangsehen deutlich. Während die im Londoner Außenministerium angesiedelte Zentralstelle gegen Zwangsehen von rund 300 Fällen pro Jahr ausgeht, zählte die Wissenschafterin Nazia Khanum im Auftrag des Innenausschusses etwa die gleiche Anzahl von Fällen allein in der 30 Kilometer nördlich von London gelegenen Stadt Luton.

Die Praxis, bei der meist Eltern ihre halbwüchsigen Töchter nach Pakistan oder Bangladesch verschleppen und dort in die Ehe zwingen, sei von einer „Mauer des Schweigens“ umgeben, weiß Khanum. Im nordenglischen Bradford verschwanden binnen eines Jahres 33 muslimische Teenager spurlos von ihren Schulen. 14 andere Kommunen, in denen viele Briten asiatischer Herkunft leben, meldeten ähnliche Zahlen. Daher müsse man wohl „von 3000 bis 4000 Fällen pro Jahr ausgehen“, glaubt die Labour-Abgeordnete Margaret Moran.

Die neuen Zahlen liefern Kritikern der Regierung neue Argumente. Erst vor zwei Jahren hatte das Innenministerium sich geweigert, Zwangsehen gesondert unter Strafe zu stellen. Entsprechend lax ist der Umgang mancher Kommunal- und Schulbehörden mit dem Thema. So mochten Schulen im mittelenglischen Derby ihnen angebotene Aufklärungsposter über Zwangsehen nicht aufhängen; Experten wurden nicht eingeladen. In Zukunft müssten Zwangsehen „als Verbrechen“ behandelt werden, fordert jetzt die konservative Baronin Sayeeda Warsi. (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 14.3.2008)