Dem Leichnam des toten Pharao wurden die inneren Organe entnommen und in sogenannten Kanopensärgen bestattet. Deren Deckel tragen das Antlitz Tutanchamuns.

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Die Tutanchamun-Ausstellung in Wien zeigt Objekte einiger der bedeutendsten Herrscher der ägyptischen Geschichte, die immer noch Überraschungen bietet.

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Vergessen Sie Fu Long! Der neue mediale Herrscher der Bundeshauptstadt residiert nicht in Schönbrunn, sondern in der Neuen Burg am Heldenplatz. Seit vergangenem Sonntag bittet Pharao Tutanchamun im Museum für Völkerkunde zur Audienz. Gemeinsam mit zahlreichen königlichen Kollegen aus dem Ägyptischen Museum Kairo gastiert er bis Ende September im Rahmen der Wanderausstellung "Tutanchamun und die Welt der Pharaonen" in Wien, der einzigen europäischen Station, bevor es in die USA weitergeht.

Um König Tut wurde in den vergangenen Jahren ein Medienhype wie um einen Popstar entwickelt: Eine ältere, ebenfalls von der National Geographic Society organisierte Ausstellungstournee geht derzeit nach Stationen in Deutschland, der Schweiz und den USA in London zu Ende, in Zürich wird ein Nachbau der Grabkammer Tutanchamuns im Tal der Könige gezeigt.

In Wien wird im Gegensatz zu den anderen Tut-Ausstellungen ein größerer Bogen quer durch die altägyptische Geschichte gespannt: Die Exponate stammen aus einem Zeitraum von rund zweitausend Jahren, von den 4500 Jahre alten Statuen der Pyramidenerbauer Chephren und Mykerinos des Alten Reichs bis hin zum nubischen König Schabaka, der Ägypten vor 2700 Jahren als Fremdherrscher regierte.

Der Ausstellungsrundgang beginnt mit der Vorstellung einiger der größten Herrscher der ägyptischen Geschichte und präsentiert das Leben der königlichen Familien und ihres Hofstaates. Mit der Darstellung der altägyptischen Religion und des Jenseitsglaubens wird zum eigentlichen Herzstück der Ausstellung, den Exponaten aus dem Grabschatz des Tutanchamun, übergeleitet.

Leben nach dem Tod

Die Geschichte Ägyptens ist untrennbar mit der Geschichte der Könige verbunden. Mit jedem neuen Pharao beginnt auch die Zeitrechnung neu. Ein Umstand, der die Datierungen und die Rekonstruktion von Zeitabläufen für die Ägyptologen ungemein schwierig gestaltet. Der Pharao, wörtlich übersetzt das "große Haus", war die Personifizierung des Staates. Der König verfügte als lebendige Gottheit über einen absoluten Machtanspruch. Dies zeigt sich in der Pracht der Bildnisse und Monumente der Pharaonen, mehr aber noch im Glanz des den Herrschern zugedachten Lebens nach dem Tod.

Um dieses zu garantieren, musste der Körper des Toten erhalten werden, denn gemäß der Jenseitsvorstellung der Ägypter kehrt der "Ba", die Seele, immer wieder in den Körper des Verstorbenen zurück. Die inneren Organe Lunge, Leber, Magen und Därme wurden dem Leichnam entnommen, gesondert einbalsamiert, bewacht von den vier Söhnen Horus' und in sogenannten Kanopensärgen beigesetzt. Nur das Herz wurde im Körper belassen - der Verstorbene brauchte es, da es beim Totengericht vom schakalköpfigen Anubis gewogen wurde.

Jahrhundertfund

Trotz der breiten Konzipierung der Ausstellung ist Tutanchamun mit seinen zahlreichen Grabbeigaben der absolute Publikumsmagnet der Veranstaltung. Dass dies in dieser Form möglich ist, ist die Folge einer Kette von Zufällen. Wäre der Eingang zu seinem Grab nicht rund zweihundert Jahre nach seinem Tod bei den Bauarbeiten für das Grab Ramses' VI. verschüttet worden, Pharao Tutanchamun wäre heute wohl nur eine Randnotiz in der Geschichtsschreibung des alten Ägypten.

Während im Tal der Könige die Gräber seiner Vorgänger und Nachfolger schon in alter Zeit systematisch geplündert wurden, sodass sich die Priesterschaft genötigt sah, die mumifizierten Körper und die Reste der Grabbeigaben in ein Versteck in Deir El-Bahari in Sicherheit zu bringen, ruhte Tut drei Jahrtausende ungestört, bis ihm im Jahr 1922 der britische Archäologe Howard Carter, der nach jahrelanger vergeblicher Suche kurz vor dem Aufgeben stand, mit der Entdeckung seines fast unberührten Grabes zu einer zweiten Karriere als Medienstar verhalf.

Dabei sollte Tutanchamun nach dem Willen seines Generals Haremhab eigentlich genauso wie Tuts wahrscheinlicher Vater Echnaton der Vergessenheit anheimfallen. Haremhab wollte die Erinnerung an seine Vorgänger löschen: Echnaton war in Ungnade gefallen, da er mit den alten Göttern gebrochen hatte. Er legte seinen ursprünglichen, dem Hauptgott Amun gewidmeten Namen Amenophis IV. ab und gab Aton, der Sonnenscheibe, Vorrang gegenüber allen anderen Gottheiten und erhob den Kult in einen monotheistischen Rang.

Er verließ Theben und errichtete mit Achetaton eine neue Hauptstadt in Mittelägypten an der Stelle des heutigen El-Amarna, die Amun-Priesterschaft wurde entmachtet. Nach dem Tod Echnatons leitete der Kindkönig, der den Thron noch als Tutanchaton bestieg, wohl unter der Führung seines Wesirs Eje eine Rückreform ein und strich Aton zugunsten von Amun aus seinem Namen.

Zerstörte Tempel

Doch Tutanchamun starb noch als Teenager, und auch dem nachfolgenden Eje waren nur wenige Regierungsjahre vergönnt. Haremhab entfernte die letzten Überbleibsel der kulturellen Revolution. Die Tempel Atons wurden zerstört, die Namenszüge und Gesichter der Königsfamilie von Amarna ausgemeißelt. Zahlreiche Monumente wurden von Haremhab nach seiner Machtübernahme usurpiert, so zum Beispiel auch die monumentale Statue Tutanchamuns, die im Völkerkundemuseum zu sehen ist. In den offiziellen Königslisten wurden Haremhab die Regierungsjahre seiner Vorgänger dazugerechnet.

Der Bildersturm war so gründlich, dass die Ägyptologen bei vielen Fragen zur Amarna-Zeit nur Vermutungen anstellen können. So ist noch immer nicht geklärt ob Semenchkare, ein möglicher Bruder und Vorgänger Tutanchamuns, überhaupt existierte oder ob es sich dabei lediglich um den Thronnamen von Echnatons Gemahlin Nofretete handelt, die unter Umständen nach dem Tod ihres Mannes selbst als Pharao regierte.

Auch über den Verbleib der Mumien Echnatons, Nofretetes und zahlreicher weiterer Mitglieder der königlichen Familie kann nur spekuliert werden. Vielleicht können aber schon in naher Zukunft einige der noch nicht identifizierten Mumien aus dem Tal der Könige zugeordnet werden - wie dies im vergangenen Juni sensationell mit Königin Hatschepsut gelang.

CSI Ägypten

Eine der diesbezüglich am kontroversesten diskutierten Mumien, der aufgrund des schlechten Erhaltungszustands besser nur als Skelett zu bezeichnende Tote aus Grab KV55 in unmittelbarer Nähe zu Tuts Grabstätte, wird zurzeit genauer untersucht. Der Unbekannte, bei dem anhand äußerst ähnlicher Körpermaße eine enge Verwandtschaft mit Tutanchamun naheliegend scheint, wurde bisher am ehesten für Semenchkare gehalten.

Doch die Direktorin des Ägyptischen Museums von Kairo, Wafaa El-Saddik, rechnet mit einer Überraschung: Der bisherige Befund eines Todesalters von rund zwanzig Jahren könnte falsch sein und mit bis zu fünfzig Jahren deutlich höher angesetzt werden. Damit würde mit großer Wahrscheinlichkeit nur einer der Kandidaten übrigbleiben: der umstrittene Reformer Echnaton selbst. (Michael Vosatka/DER STANDARD, Printausgabe, 14.3.2008)