Berlin - Auf weitgehendes Unverständnis stößt in Deutschland das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, das ein Gymnasium verpflichtet hat, einem muslimischen Schüler das Mittagsgebet zu erlauben. Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) zeigte sich "entsetzt über diesen Richterspruch, der die Neutralitätspflicht des Staates verletzt". Die Kultusministerien anderer Bundesländer wurden nach eigenen Angaben mit dem Wunsch nach Gebeten in der Schule bisher nicht konfrontiert.

Der Geschäftsführer des HVD Berlin, Manfred Isemeyer, erklärte: "Die Ausübung religiöser Bekenntnisse gehört nicht in öffentliche Institutionen." Er nannte das Urteil weltfremd. Es werde so manche Integrationsbemühung in Berlin zunichte machen, wenn es in letzter Instanz bestätigt werde.

Neutralitätsgebot

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte erklärt, der Schüler könne sich auf seine im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit berufen. Das Gymnasium hatte dem Jungen das Beten in der Schule mit Hinweis auf das Neutralitätsgebot des Staates untersagt, worauf dieser geklagt hatte. Gegen die Entscheidung ist Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich.

Der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner erklärte: "Schule in öffentlicher Trägerschaft ist ein Ort von Erziehung und Bildung in einem weltanschaulich und religiös neutralen Rahmen." Dies gelte es sicherzustellen. Die Senatsverwaltung betonte, dass das Gericht ausdrücklich angeordnet habe, das Gebet auf Zeiten außerhalb des regulären Unterrichts zu legen. Es müsse sich störungsfrei in den Schulbetrieb einfügen.

Urteil

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Sascha Steuer, forderte den Senat auf, gegen das Urteil vorzugehen und das Oberverwaltungsgericht einzuschalten. "Die Schule hat einen Bildungs- und Erziehungsauftrag und nicht mehr. Für die Religion sind die Kirchen und Glaubensgemeinschaften zuständig", erklärte er.

Der bildungspolitische Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Steffen Zillich, nannte die Diskussion allerdings überzogen. Das Urteil verlange schließlich nicht die Einrichtung von Gebetsräumen. (APA)