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Unter Österreichs Flagge dient eine verunsicherte Truppe mit unzureichender Ausstattung und den alten Problemen.

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In 657 Fällen hat die Bundesheer-Beschwerdekommission im Vorjahr einschreiten müssen. Immer seltener geht es dabei um Schikanen gegen Rekruten, immer öfter um Dienstprobleme.

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Wien - Erstmals hat im Vorjahr ein Offizier im Generalsrang die Bundesheer-Beschwerdekommission angerufen: Generalmajor Erich Wolf, der dem Bundesheer 40 Jahre lang untadelig gedient und es zum Air-Chief gebracht hatte, war im Zuge der Eurofighter-Untersuchungen in den Verdacht geraten, Festveranstaltungen der Fliegerkräfte des Bundesheeres unerlaubterweise durch Sponsorengelder finanziert zu haben.

Wolf wurde damals durch Verteidigungsminister Norbert Darabos, dem zu jener Zeit jegliche Kritik am Eurofighter-Geschäft politisch gelegen kam, vom Dienst suspendiert - der Generalmajor wartet seither mit drastisch gekürzten Bezügen und bei einem offenen Disziplinarverfahren auf Gerechtigkeit. "Eine kafkaeske Situation", befindet der Vorsitzende der Bundesheer-Reformkommission, Walter Seledec, im Zivilberuf ORF-Chefredakteur und in seiner militärischen Funktion hochrangiger Milizoffizier: "Es ist schon eine merkwürdige Angelegenheit, dass offenbar auch ein General sich bei uns beschwert - denn dann meint er, dass das die letzte Rettung ist." Wolfs Fall ist immer noch offen.

Andere sind gelöst, übrigens zu 69 Prozent im Sinne des Beschwerdeführers, wie die am Montag präsentierte Statistik der Bundesheer-Besschwerdekommission ausweist.

Was Wolf vor allem mit sehr jungen Beschwerdeführern aus niedrigen Dienstgraden gemeinsam hat: Die Erledigung von Beschwerden dauert oft so lange, dass der eigentliche Beschwerdeführer von einem positiven Ergebnis nichts mehr hat.

Nach dem Rechten sehen

Das ist durch die Verkürzung der Grundwehrdienstzeit auf sechs Monate noch schlimmer geworden, sagt Vorsitzender Seledec - denn in manchen Verfahren ist es notwendig, dass sich die Kommission selbst etwa in eine Kaserne in Vorarlberg begibt, um nach dem Rechten zu sehen und Beteiligte zu befragen.

Wobei in manchen Fällen der behauptete Missstand so offensichtlich ist, dass er innerhalb einer Woche abgestellt werden kann. Vorgesetzte, die sich falsch verhalten haben, werden ermahnt, mit Geldbußen bestraft, von Vorrückungen ausgeschlossen und in Extremfällen entlassen, wenn sie nicht von selbst den Dienst quittieren.

Die Kommission rückt übrigens auch von selber aus, wenn sie Missstände vermutet oder vom Hörensagen kennt. So stieß sie im Kosovo auf Unteroffiziere, die eher nebenbei berichteten, dass für ihre Fahrzeuge seit Monaten bestimmte Ersatzteile fehlten. Ohne diese Ersatzteile wäre die Einsatzbereitschaft aber nicht gegeben - und die gesamte Auftragserfüllung gefährdet, weil der Zug nicht mit seinen Fahrzeugen ins Einsatzgebiet ausrücken kann. Erstaunlich: Kaum hatte die Kommission interveniert, waren die Ersatzteile doch aufzutreiben und wurden an die Kfor geliefert.

Bei fast jedem Besuch bei der Truppe bekommt die Kommission ähnliche Eindrücke. Seledec: "Die Kasernen sind großteils sanierungsbedürftig." Die mangelhafte Ausstattung werde aber nun - bei den Kasernen, die nach der laufenden Reform in Betrieb bleiben - nachgebessert.

Unsicherheit gestiegen

Die Reform sieht Seledec auch als wesentlichen Auslöser für jene Hälfte der Beschwerden, die nicht von Rekruten, sondern von Kader- und Berufssoldaten kommen: "Es ist so, dass die Unsicherheit im Heer sehr gestiegen ist. Da ist es klar, dass Sorgen und Beschwerden an uns herangetragen werden."

Die Beschwerden von Rekruten machen die andere Hälfte der Fälle aus - und hier sind es immer noch vor allem Probleme im Bereich "Ausbildung und Dienstbetrieb" (42 Prozent), die zu Konflikten führen.

Der Bericht der Kommission lässt darauf schließen, dass zumindest in einem Fall ein Rekrut von seinem Vorgesetzten sogar mit der Waffe bedroht wurde. Im Amtsdeutsch liest sich das so: "Ein Offizier vom Tag riss einem als Charge vom Tag eingeteilten Rekruten die Bettdecke herunter, schränkte ihm durch Erteilen eines Redeverbotes die Rechtfertigungsmöglichkeit ein und drohte Schlafverbot an. In diesem Zusammenhang erfolgte durch den Hauptmann ein missverständlicher Hinweis auf seine vorliegende Bewaffnung als Offizier vom Tag."

Gewaltmärsche

Dass beim Bundesheer immer noch Schleifer-Methoden angewendet werden, wird durch die Berichte von Reinigungsvisiten durch besoffene Vorgesetzte, die ihre Kontrollen selber nicht mehr nachvollziehen konnten, belegt. Und durch Berichte von Märschen, nach denen Soldaten mit gesundheitlichen Problemen in Spitäler eingeliefert wurden.

Aber solche Probleme werden in den letzten Jahren seltener, was die Kommission auf eine bessere Ausbildung der Ausbildner zurückführt.

Ein ständiges und bisher unlösbares Problem sei aber die medizinische Versorgung: Die Ärzte beim Bundesheer hätten viel zu wenig Zeit, um sich den einzelnen Patienten zu widmen. Selbst bei der Schießausbildung auftretende Verletzungen (in diesem Fall am Trommelfell) wurden nicht richtig behandelt. Und aufgrund einer Fehldiagnose (an der auch zivile Ärzte mitgewirkt hatten) wurde einem Gefreiten irrtümlich ein Hoden entfernt. (Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2008)