Knapp fünf Jahre nach Großbritanniens Beteiligung am Irakkrieg kämpfen die traditionell von breitem Rückhalt in der Bevölkerung getragenen Streitkräfte gegen zunehmenden Prestigeverlust an der Heimatfront. Weil es mehrfach auf offener Straße zu Pöbeleien kam, treten mancherorts Soldaten nur noch in Zivil auf. Die größte Lehrergewerkschaft, NUT, wehrt sich gegen tendenziöses Unterrichtsmaterial und droht dem Verteidigungsministerium mit Boykott.

Bereits im Herbst hatte Gewerkschaftschef Steve Sinnott Schulminister Ed Balls geschrieben: Eine Unterrichtshilfe zum Thema Irakkrieg verbreite „Vorurteile und Propaganda“ und verstoße damit gegen das gesetzlich verankerte Gebot der Ausgewogenheit. Das Material spricht von der Invasionsarmee als „einer Koalition von 29 Staaten“ unter Leitung der USA.

Kriegsgrund sei gewesen, dass „Irak sein Programm zur Entwicklung atomarer und chemischer Waffen nicht aufgegeben“ habe. Dass die angeblichen ABC-Waffen gar nicht existierten, bleibt ebenso unerwähnt wie der Mangel an Unterstützung durch die UNO. Die Zahl der britischen Gefallenen wird mit 132 zu niedrig angegeben (tatsächlich: 175), von den getöteten irakischer Zivilisten (Schätzungen: mindestens 85.000) ist mit keinem Wort die Rede.

Es gehe „keineswegs um einen Angriff gegen das Militär“, beteuert NUT-Chef Sinnott. Minister Balls, einer der engsten Vertrauten von Premier Gordon Brown, versprach jetzt, er werde der Sache nachgehen. Bereits nächste Woche könnte der Streit eskalieren: Dem NUT-Jahreskongress liegt ein Antrag vor, die Streitkräfte von Schulen auszuschließen. Begründung: Der Soldatenberuf werde verherrlicht, um junge Leute fürs Militär zu begeistern.

Tatsächlich leiden die Streitkräfte unter Rekrutierungsschwierigkeiten, wohl nicht zuletzt wegen der in weiten Teilen der Bevölkerung umstrittenen Einsätze in Afghanistan und Irak. Wegen „der Angriffskriege im Ausland“ stimmten politisch aktive Studierende an Londoner Universitäten mehrheitlich dafür, das Militär vom Campus zu verbannen. Im mittelenglischen Peterborough kam es zuletzt so häufig zu Pöbeleien gegen Uniformierte, dass die Kommandeurin des örtlichen RAF-Stützpunktes Wittering ihren Leuten Ausgang in Zivil empfahl – sehr zum Ärger des Premierministers.

„Prinz-Harry-Effekt“

Während die öffentliche Meinung die anhaltende Truppenpräsenz im Irak weiterhin mit Zweidrittelmehrheit ablehnt, ist einer Umfrage zufolge die Zahl der Befürworter des britischen Engagements in Afghanistan binnen 18 Monaten deutlich von 31 auf 40 Prozent gestiegen. Die Zahl der Gegner liegt unverändert bei 48 Prozent. Vor allem junge Leute und Männer stünden dem Militäreinsatz positiver gegenüber, berichtet Nick Sparrow vom Umfrage-Institut ICM: „Das ist der Prinz-Harry-Effekt.“ (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.3.2008)