Da glaubt man immer, der SPÖ gehe es schlecht, dabei wäre die ÖVP im Fall von Neuwahlen noch viel übler dran. Glaubt man "News" , dann sind die Schwarzen - aber pst, top-secret ! - jetzt schon darauf angewiesen, Lockrufe an den Glamour-Boy abzusetzen. "Wenn wir den Grasser zurückkriegen, werden wir klare Nummer eins", hört man derzeit immer wieder von VP-Leuten. Von viel Vertrauen in die Strahlkraft Wilhelm Molterers zeugt das nicht, aber auch die Leistung Erwin Prölls erweist sich nun als weit überschätzt. Er allein hätte es nie geschafft, einen solchen Wahlsieg wie den vom vergangenen Sonntag einzufahren, hätte er nicht neben einem krakenhaften Parteiapparat noch einen schmalzigen Schutzengel gehabt: Tatsächlich hat der ehemalige "unabhängige" Finanzminister unter Wolfgang Schüssel den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll in seinem Wahlkampf unterstützt. Und das auch noch so dezent, dass es niemandem aufgefallen ist - das nennt man Charisma!

Seine ökonomischen Ruhmestaten haben sich auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik zwar in engen Grenzen gehalten, dafür hat er sich inzwischen mit dem Majestätsplural vertraut gemacht. "Uns wird heute noch schlecht, wenn wir an das Wahlergebnis vom 1. Oktober 2006 denken", sagt er nicht ganz zu Unrecht. War er doch für dieses Wahlergebnis an entscheidender Stelle mit verantwortlich, auch wenn er das in seiner Bescheidenheit für "News" nicht so sieht. Er wurde allerdings auch nicht danach gefragt. Doch wenn er gefragt wird: Kann er sich also ein Comeback in der Politik vorstellen?, dann will Grasser offiziell nichts davon wissen.

Dann muss man sich halt inoffiziell schlaumachen. Vertraute des Ehemannes von Fiona Swarovski bestätigen aber, dass ihm die schwarzen Lockrufe sehr schmeicheln würden - sonst erlebt er ja zur Zeit nicht viel Schmeichelhaftes - und er im Falle einer raschen Neuwahl sehr wohl überlege, zur Verfügung zu stehen. Grasser will freilich Nummer eins - also Spitzenkandidat - sein. Das sollte für die SPÖ kein Grund zu verfrühtem Jubel sein, denn bei diesem Anzeichen von Größenwahn handelt es sich um etwas, das derzeit für die ÖVP noch undenkbar ist. Die will vor allem, dass das Glamour-Paar Grasser und Fiona sie in einem Wahlkampf gegen die SPÖ unterstützt. Ein neuerlicher Überraschungscoup mit Grasser - der letzte war seine Aufnahme in den ÖVP-Vorstand - ist "wirklich realistisch", behauptet jedenfalls ein VP-Mann. Allmählich kann man Gefallen an baldigen Neuwahlen finden. So viel Unterhaltungswert hat keine intakte Koalition zu bieten wie ein Wahlkampf mit Fiona und ihrem Ehemann.

Wie für "News" bleibt auch für "Österreich" Vertrauliches nicht vertraulich. So lief das Sechs-Augen-Gespräch: So vermittelte Fischer zwischen Gusi und Molterer, bewies der Fellnerismus, dass es für jemanden, der sich die Nachrichten selber bastelt, keine Geheimnisse geben kann, und erst recht nicht, wenn sich dessen Inkarnation in einer nebenstehenden Kolumne entrüstet: Demonstrativ widerwillig und trotzig sind die beiden Streithähne durch den Hinterausgang der Hofburg geflüchtet. Seither verweigern sie jede Stellungnahme, was in einer Demokratie eine Ungeheuerlichkeit ist.

Und gegen eine solche anzukämpfen und justament alles zu enthüllen ist die erste Pflicht jedes verantwortungsbewussten Journalisten. Also: Der Präsident ließ ein Menü servieren. Molterer nahm Bier, Gusenbauer das berühmte Glas Wein. Die beiden Kontrahenten saßen zunächst fast trotzig schweigend am Tisch, die Regie führte in den kommenden zwei Stunden allein der Bundespräsident. Er begann das Gespräch mit überraschend klaren Worten, wobei unklar blieb, wer nun überrascht war, Gusenbauer (Wein), Molterer (Bier), der Bundespräsident ob seiner Klarheit oder doch nur Wolfgang Fellner (Österreich), der dabeigesessen ist und alles mitgeschrieben hat.

Von dem Neuwahlantrag, den laut "Österreich" vom Sonntag die ÖVP diese Woche hätte stellen sollen, war keine Rede mehr, dafür nun: In der Folge luden Gusi und Molterer wie bei einem Beichtvater Frust ab. Leider erfuhr man nicht, mit wie vielen Vaterunsern und Ave-Marias der Beichtvater die Trotzköpfe entließ. Und ehe die Frage nach ihrer Absolution akut werden konnte, wechselte der Herausgeber als Kolumnist ins Profane und titulierte den Beichtvater unvermittelt als "Super Nanny" der Großen Koalition, aber auch als "Babysitter" der Nation, und damit es nicht fad wird, auch gleich als "Mrs. Doubtfire" in der Hofburg, zu der die zwei Streithanseln müssen, wann immer es kracht - ein sprachlicher Einfallsreichtum, der verrät, dass sich der Herausgeber von "Österreich" mehr dem Fluch des Fernsehens als den Wohltaten der Sakramente hingibt.

Größere Verdienste um die politische Bildung der Bürger hat sich nur die "Wiener Zeitung" erworben, die Andreas Mölzer eine ganze Druckseite für einen Gastkommentar einräumte, in der dieser die SPÖ zum Wagnis einer Minderheitsregierung von Gnaden der FPÖ ermunterte. Eine Fleißaufgabe des Staatsorgans - oder eine Jugendsünde des Chefredakteurs? (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 15./16.3.2008)