ModeratorIn: Lieber Herr Rossmann, danke dass Sie sich die Zeit nehmen, um mit uns das Thema Steuerreform zu diskutieren, liebe UserInnen, wir freuen uns auf interesssante Beiträge.

Bruno Rossmann: Guten Tag liebe ChaterInnen. Ich freue mich auf eine Diskussion mit Ihnen.

a930bf47-fa52-43b1-95c3-d36e744f1ba4: Wann fordern die Grünen endlich die Valorisierung der Steuergrenzen, damit das alle paar Jahre ausbrechende, verlogene Geplänkel um eine Reform, die gar keine ist, endlich aufhört? Warum sollte in Österreich nicht möglich sein, was die Mehrheit der

Bruno Rossmann: Die Grünen fordern bereits seit dem letzten Sommer eine Abschaffung der kalten Progression durch eine Valorisierung der Steuerstufen. Das ist gerade in Zeiten hoher Inflation dringend notwendig, weil die kalte Progression insbesondere die niedrigen Einkommen belastet.

UserInnenfrage per Mail: Was halten Sie vom "Gusi-Hunderter" - billiger Gag oder wirksame Inflationsbekämpfung?

Bruno Rossmann: Der Gusi-Hunderter ist meines Erachtens eine völlig unzureichende Antwort auf die derzeit hohe Inflation. Zur Bekämpfung der Folgen der Inflation haben die Grünen jüngst ein Fünfpunkteprogramm vorgeschlagen. 1. Eine Energiewende, weil sonst durch die hohen und weiter steigenden Rohölpreise die Bevölkerung auch in Zukunft in der Ölpreisfalle gefangen bleibt. 2. Eine nachhaltige Entlastung der niedrigen Einkommen anstelle des Gusi-Hunderters. 3. Die Abschaffung der kalten Progression, weil die Grenzen für die Steuerstufen nicht mit den Gehaltssteigerungen mitwachsen. 4. Die Stärkung der Wettbewerbs in der Nahrungsmittelindustrie, im Handel und am heimischen Strom- und Gasmarkt. 5. Mehr Transparen bei den Preisen.

a930bf47-fa52-43b1-95c3-d36e744f1ba4: Es freut mich, daß die Grünen hinter der Valorisierung stehen. Aber wer sind die Verhinderer?

Bruno Rossmann: Bisher hat sich noch keine andere Partei im Parlament für eine Valorisierung ausgesprochen. Staatssekretär Matzenetter hat diesen Vorschlag im Finanzausschuss sogar explizit abgelehnt.

Peter 2906: Warum schaffen es die Österreichischen Politiker seit 30 Jahren nicht, die Lohnnebenkosten zu senken? Eine Änderung in Richtung Ökolisierung der Steuern könnte doch Aufkommensneutral gestaltet werden. Außerdem hätte so jeder Bürger die Chance, mit e

Bruno Rossmann: Ich befürworte sehr stark eine Entlastung des Faktors Arbeit. Die Grünen haben bereits vor 10 Jahren das Modell der Ökosozialen Steuerreform präsentiert. Demnach soll Energie teuerer und Arbeit billiger werden. Die Regierungsparteien haben diesen Vorschlag seither allerdings ignoriert. Zusätzlich könnte die Arbeit stärker entlastet werden, wenn auch die Reichen und Superreichen nach Ihrer Leistungsfähigkeit zur Finaznierung des Sozial- und Bildungsstaates beitragen würden. Die Grünen streben daher eine Besteuerung des Vermögens auf dem Nivau des europäischen Durchschnitts an und forden in diesem Zusammenhang die Reform der Erschaftssteuer statt deren Abschaffung.

UserInnenfrage per Mail: Von den Spitzenverdienern wird immer betont, dass sie "eh schon" mehr zum Steuerkuchen beitragen als der große Rest. Müsste das nicht selbstverständlich sein?

Bruno Rossmann: Ja ich stimme Ihnen in dieser Hinsicht bei. Vielfach ist aber nur von der Lohn- und Einkommensteuer die Rede, vergessen werden die Sozialversicherungsbeiträge, die die niedrigen Einkommen stärker belasten als die Hohen.

El Chó: ...sorry, Frage versehentlich schon abgeschickt... was spricht aus Ihrer Sicht gegen eine gemeinsame Berechnung von SozVers und Steuer, sprich einer progressiven Steigerung der Summe dieser beiden Abzüge.

Bruno Rossmann: Die Frage eines integrierten Tarifes von Steuer- und Sozialversicherung halte ich für einen interessanten Vorschlag, der allerdings eine Fülle von technischen Problemen aufwirft, die noch intensiv zu diskutieren sind.

markushuebner: EPUs / KMUs tragen den Großteil der Steuerbelastung, das wird auch allgemein betont und zur Kenntnis genommen. Doch leider blieben die Maßnahmen hier bisher immer auf der Strecke. Welche Ansätze haben hier die Grünen?

Bruno Rossmann: Wenn es um die Frage der Steuerentlastung für Klein- und Mittelbetriebe sowie EPUs geht, dann bin ich der Meinung, dass diese im unteren Einkommensbereich ebenso wie die LohnsteuerzahlerInnen entlastet werden sollten.

Martin Putz #1: Wird die ganze Steuerreform-Diskussion bei Neuwahlen nicht ohnehin obsolet? Was meinen Sie, wann wird gewählt werden?

Bruno Rossmann: Die Steuerreformdebatte wird auch nach allfälligen Neuwahlen ein Thema bleiben. Hinsichtlich einer Neuwahl kann ich nichts Konkretes sagen, weil bisher im Parlament kein Neuwahlantrag gestellt wurde. Es liegt an den Regierungsparteien, dem Parlament zu sagen, dass sie ihren Regierungsauftrag nicht erfüllen können.

excel rose: Halten Sie es für möglich, dass manche Politiker bei der Steuerreform bremsen, weil sie nicht wollen, dass ihnen selbst weniger im Börsel bleibt?

Bruno Rossmann: Es mag sein, dass es Politiker gibt, die aus Eigeninteresse bei der Steuerreform bremsen. Die Grünen sind allerdings eine Reformpartei, der es nicht um Eigeninteressen sondern um die Probleme der Menschen im Lande geht.

Lord Fiddlebottom: Vermògenssteuern sind ein zweischneidiges Schwert; sie sollten niedrig sein, um Kapital anzulocken bzw. nicht zu verscheuchen, und doch ist es sozialpolitisch sinnlos, gànzlich ohne Vermògenssteuern auskommen zu wollen. Wie ist Ihr Standpunkt und de

Bruno Rossmann: Ich denke, dass das Problem der Besteuerung von Vermögen durchaus national gelöst werden kann, weil ja nur Finanzkapital ins Ausland transferiert werden kann, wohin gegen Grund- und immobilienvermögen sehr wohl für eine Vermögensbesteuerung geeignet sind. Natürlich wäre es in diesem Zusammenhang auch notwendig die Besteuerung von Zinsen auf der europäischen Ebene zu harmonisieren. Das Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen ist für die Lösung dieser Frage sehr hinderlich.

erik eriksson: Im Zuge der Debatte um die Steuerreform ist immer wieder der Spitzensteuersatz zu Sprache gekommen. HP Haselsteiner forderte sogar eine Besteuerung bis 80 %. Was halten Sie von dieser Forderung und wäre es nicht sinnvoller Managementgehälter leistun

Bruno Rossmann: Die Auseinanderentwicklung von niedrigen Einkommen und Managergehältern halte ich für ein großes Problem. Es kann daher aus meiner Sicht nicht so sein, dass Managergehälter über stock options noch zusätzlich noch steuerlich gefördert werden. Mit solchen Förderungen muss Schluss gemacht werden. Weiters müssen die hohen Einkommen der Manager in öffentlichen Betrieben und Börsenotierten Unternehmen veröffentlicht werden. Der Vorschlag von Haselsteiner ist eher symbolischer Natur. Ich könnte mir vorstellen, dass es für hohe Managergehälter einen Solidaritätszuschlag in der Einkommensteuer gibt.

Harald Hörmann: Wenn die Steuerlast auf Arbeit und E,KMU's reduziert werden soll, wodurch würden Sie die geringeren Einkünfte kompensieren (sowohl Ein- als auch Ausgabenseitig)?

Bruno Rossmann: Auf der Einnahmenseite kann der Spielraum für eine Senkung der Abgabenlast auf Arbeit durch eine Erhöhung vermögensbezogener Steuern sowie durch die von den Grünen vorgeschlagenen Ökosozialensteuerreform geschaffen werden. Auf der Ausgabenseite ist eine Reform des Bundesstaates dringend notwendig. Es kann nicht so sein, dass die Verantwortung für die Finanzierung und die Erledigung einer öffentlichen Aufgabe bei verschiedenen Gebietskörperschaften angesiedelt sind. Wer anschafft, sollte auch für die Finanzierung der jeweiligen Aufgabe verantwortlich sein. Hier wären die Länder über eine ausgeweitete Verantwortung im Steuerbereich in die Pflicht zu nehmen.

Armin Delacher: warum arbeiten Sie nicht an - engagieren sich für die realisierung eines existenzsichernden, bedingungslosen grundeinkommens für alle?

Bruno Rossmann: Die Grünen treten nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein, sondern für eine bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Alec: Wie kann man (in ganz Österreich) den Berufsverkehr (z.B.) Pendler auf den öfftl. Verkehr merklich umlenken. Steuerlich gesehen, Sichworte: Pendlerp. Kilometergeld...., abgesehen vom Ausbau der Infrastruktur.

Bruno Rossmann: Neben dem Ausbau der Infrastruktur können durch einen Umbau des Steuersystems entscheidende Anreize für einen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel geschaffen werden. Die Grünen haben bereits vor vielen Jahren mit der Ökosozialen Steuerreform versucht diesen Umbau des Steuersystems in die Debatte zu bringen.

Peter 2906: Es ist immer wieder die Rede davon, dass die Pendler-Pauschalen erhöht werden sollen. Ich halte das für unfair, da sich immer mehr Leute im Umland von Städten (besonders von Wien) ansiedeln - auf billigen Baugründen und in Orten ohne öffentlichen V

Bruno Rossmann: Ich gebe Ihnen Recht, die derzeitige Ausgestaltung des Pendlerpauschales benachteiligt nicht nur die Benützer öffentlicher Verkehrsmittel, sondern begünstigt zusätzlich die Zersiedelung insbesondere rund um die Ballungszentren. Eine Neugestaltung des Pendlerpauschales müsste nicht nur die Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel und von Individualfahrzeugen gleichstellen, sondern überdies stärker von der Möglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu benutzen abhängig gemacht werden. Für den Ausbau von Infrastruktur wird wohl zusätzliches Geld notwendig sein.

Gfrast Sackl: frau dr. glawischnig hat gesagt, sie möchte allradfahrzeuge höher besteuern weil diese auch mehr sprit verbrauchen. wäre es nicht sinnvoller generell von fahrzeugen über einer gewissen verbrauchsgrenze wie z.b. 7 l/100km zu sprechen als von der tats

Bruno Rossmann: Es wohl davon auszugehen, dass Riesenvans einen deutlich höheren Spritverbrauch haben, womit sie dann auch höher belastet werden. Das Ziel muss darin bestehen, die Autohersteller stäker als bisher in die Pflicht zu nehmen und zu einer klimaverträglicheren Autoproduktion zu veranlassen.

Gfrast Sackl: auch wenn wir in österreich den sprit noch mehr besteuern würden um unser co2 gewissen zu entlasten, es ist fakt, dass die chinesen, russen und inder in keinster weise die umwelt irgendwie schonen werden. solange es fossile brennstoffe geben wird, w

Bruno Rossmann: Wenn jeder so denkt wie Sie, werden wir nie zu einer Lösung des Klimaschutzproblems kommen. Ich gebe Ihnen natürlich recht, dass an der Lösung der Co2-Problematik alle Länder mitarbeiten müssen. Das soll aber Österreich und andere Länder nicht hindern mit gutem Beispiel voran zu gehen. Wie notwendig der Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist, zeigt sich gerade jetzt sehr dramatisch an der Entwicklung des Rohölpreises und seiner Folgen für die Inflation in Österreich. Weiters zeigen viele Studien, dass ein Nichthandeln heute in Zukunft noch zu viel höheren Kosten führen wird.

grun gie: Wie realistisch ist es, dass die Tobin-Steuer in der EU Realität wird - könnte man das nicht gerade angesichts der Finanzmarktkrise wieder stärker thematisieren?

Bruno Rossmann: Sie sprechen eine sehr zentrale Frage an, die gerade in der jetzigen Krise in den Finanzmärkten zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Eine Tobin-Steuer oder eine Finanztransaktionssteuer wäre dringend notwendig, um etwas Sand ins Getriebe der Finanzmärkte zu bringen. Voraussetzung ist allerdings ein EU-weites Handeln. Vor wenigen Monaten haben sich sowohl Kanzler Gusenbauer als auch Vizekanzkler Molterer für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer öffentlich ausgesprochen. Leider haben sie seither keine Aktivitäten unternommen, um die Einführung dieser Steuer auf der europäischen Ebene voran zu treiben. Lippenbekenntnisse allein sind zu wenig.

Konsumverweigerer: Ich verdiene 920 Euro Netto im Monat. Meistens reicht mein Einkommen, manchmal auch nicht. Für dringende Anschaffungen arbeite ich manchmal im Pfusch. Mein schlechtes Gewissen hält sich angesichts Liechtenstein und etc. in Grenzen. Hätten Sie in mei

Bruno Rossmann: Ich kann mich gut in Ihre Situation hinein denken. Persönlich lehne ich die Hinterziehung von Abgaben ab. Ich glaube auch nicht, dass Pfusch die geeignete Lösung Ihres Problemes darstellt. Anzustreben wäre meines Erachtens eine gleichere Verteilung von Einkommen und Vermögen. Dadurch würde sich Ihr Problem erst gar nicht stellen.

Grönländischer Geheimdienst: Anders gefragt: € und $ werden demnächst im Verhältnis 1:2 stehen. Deutsche und amerikanischen Banken fordern bereits die Unterstützung ihrer Staaten (Nationalisierung einiger Banken nach dem Vorbild von Venezuela könnte anstehen). Ist eine Diskussi

Bruno Rossmann: Die derzeitige Entwicklung auf den Finanzmärkten ist in der Tat sehr ernst zu nehmen. Allerdings ist es derzeit noch ungewiss, in welchem Ausmaß Österreich und die EU von den Entwicklungen in den USA betroffen sein werden. Eine Diskussion über eine Steuerreform ist dennoch sinnvoll, weil das österreichische Steuersystem zahlreiche Schwächen aufweist, etwa die geringe Besteuerung von Vermögen, die hohe Belastung des Faktors Arbeit und die niedrige Energiebesteuerung.

Martin Putz #1: Halten Sie Schwarz-Grün für eine mögliche/sinnvolle/notwendige Variante? Aus steuerlicher Sicht: Was würden Sie mit der ÖVP leichter umsetzen können?

Bruno Rossmann: Ich halte es derzeit für wenig sinnvoll Spekulationen über mögliche Koalitionsbildungen nach einer allfälligen Neuwahl zu stellen. Sollte es zu Neuwahlen kommen, streben dieGrünen an: deutlich stärker zu werden als heute um die zahlreichen Reformansätze tatsächlich umsetzten zu können.

ModeratorIn: Liebe UserInnen, danke fürs Vorbeischauen und für die zahlreichen Fragen, die wir wieder einmal nicht alle beantworten konnten, lieber Herr Rossmann, Ihnen ebenfalls schönen Dank fürs Kommen.

Bruno Rossmann: Vielen Dank für Ihre anregenden Fragen und auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal.