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Auch im Exil bekommen die Tibeter die Staatsgewalt zu spüren. In Nepal löste die Polizei einen Zug von Mönchen vor das Büro der UNO in Kathmandu auf und verhaftete mindestens 50. Über Tibet selbst hat Peking nach wie vor eine Nachrichtensperre verhängt.

Foto: EPA/Shrestha
Chinas Regierung rechnet nicht mit einem internationalen Boykott der Olympischen Spiele als Reaktion auf die Tibet-Krise und ihrer Verfolgung der an den Unruhen beteiligten Mönche und Tibeter: "Die Austragung der Spiele in China ist ein großartiges Ereignis für die gesamte Welt. Wir folgen den Zielen der olympischen Bewegung, sie nicht zu politisieren", sagte Chinas Premierminister Wen Jiabao am Dienstag in Peking. Er beschuldigte die Aufständischen, die Absicht zu verfolgen, andere "aufzustacheln, die Spiele zu sabotieren."

Der Premier äußerte sich auf seiner live übertragenen Internationalen Pressekonferenz auch zu den schweren Unruhen in Lhasa. Er behauptete, dass bei der Unterdrückung der Ausschreitungen "die lokale Regierung nach Verfassung und Recht handelte und mit äußerster Zurückhaltung den Zwischenfall rasch befrieden konnte." Für die Vorfälle trage der Dalai Lama die Schuld.

"Genügend Beweise"

Wen sagte, "genügend Beweise zu haben, dass die Clique um den Dalai Lama sie vorsätzlich organisiert und minutiös geplant hat". Sie hätten sich damit entlarvt. "All ihre Behauptungen, sie wollten keine Unabhängigkeit oder treten für einen friedlichen Dialog ein, sind Lügen." Der Dalai Lama stecke dahinter, wenn sich in anderen Provinzen gewalttätige Tibeter-Proteste ausbreiten und diplomatische Vertretungen Chinas im Ausland von Demonstranten attackiert wurden. "Hat das mit ihm nichts zu tun? Wir schauen beim Dalai nicht darauf, was er sagt, sondern was er tut." Chinas Premier warf dem Dalai "Heuchelei" vor.

Wenige Stunden nach Wens Pressekonferenz kam aus dem Exil im indischen Dharamsala eine andere Antwort des Dalai Lama, als Peking erwartet hatte. Er rief alle Tibeter zur Gewaltlosigkeit auf, indem er ihnen auf einer Pressekonferenz drohte, als ihr politischer Führer zurückzutreten, sollte die Gewalt außer Kontrolle geraten: "Ich habe dann keine andere Wahl." Er bot Peking seine Kooperation für jede Untersuchung an, ob er wirklich hinter den jüngsten Unruhen in China stecke. Im Gegensatz dazu hatte Chinas Führung die Forderung des Dalai nach einer internationalen Untersuchung abgewiesen, ob bei den Ausschreitungen bisher über 100 Menschen starben. Peking hat 13 Tote eingeräumt.

Chinas Unterdrückungs-Kampagne weitet sich aus. Die von Peking kontrollierte Hongkonger Zeitung Ta Kungpao meldete, dass ein neues Kommandozentrum gegen tibetische Sezessionisten für das gesamte Hochland und Südwestchina in Sichuans Hauptstadt Chengdu errichtet wurde. Für den Militärbezirk Sichuan gelte höchste Alarmstufe. Auf immer mehr Parteiversammlungen müssen Ortsfunktionäre, Händler oder "religiöse Kreise" die "Dalai- Lama-Clique" kritisieren.

Die Parteizeitung Xizang Ribao druckte Berichte solcher Versammlungen neben Lhasa auch aus der zweitgrößten Stadt Xigatse, aus Changdu, dem Eisenbahnknotenpunkt Naqu und dem Shannan-Gebiet am Himalaya, wo im Mai das olympische Feuer auf den Mount Everest gebracht werden soll. Nach Berichten auf Webseiten der Exiltibeter sollen in und um Lhasa bereits 1000 "Unruhestifter" verhaftet worden sein. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 19.3.2008)