Zu siebzig Prozent ist die genetische Ausstattung von Fliege und Mensch ident. Ein Wissen, mit dem am Vienna Biocenter in der Vergangenheit schon viel geforscht wurde, weshalb auch die Drosophila-Bibliothek entstand. Ein Team von Forschern des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) und der Medizinischen Universität Wien will nun auf dieser Basis mehr über die Entstehung von Adipositas (Fettleibigkeit) und der Folgeerkrankung Diabetes vom Typ II erfahren. Das Projekt "Von der Fliege zum Menschen" wurde beim Life-Science-Call des Wiener Wissenschaftsfonds WWTF mit einer Fördersumme von 799.100 Euro bedacht. In drei Jahren will man die Arbeit abschließen.

Laut Aussendung steht das Projekt auf zwei Säulen. Einerseits will man Störungen im Fett- und Zuckerstoffwechsel der Fruchtfliege mit Hochdurchsatz-Technologie analysieren, andererseits soll die Untersuchung mit einer systematischen Katalogisierung der menschlichen Fettgewebsflüssigkeit kombiniert werden. Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen Fliege und Mensch will man stoffwechselrelevante Gene in der Fruchtfliege entdecken und neue, in der menschlichen Fettgewebsflüssigkeit identifizierte Eiweiße und Botenstoffe in einem "Rückwärts"-Testverfahren in der Fruchtfliege innerhalb kürzester Zeit auf ihre Funktion prüfen.

So hofft man, neue Biomarker für die beiden Zivilisationserkrankungen identifizieren zu können. Damit will das Team zwei ultimativen Zielen näherkommen: neue diagnostische Tests zu entwickeln sowie neue potenzielle Angriffspunkte für die Therapie von Adipositas zu identifizieren.

Mehr als 860.000 Österreicher gelten derzeit als fettleibig. Weltweit sind derzeit mehr als eine Milliarde Menschen übergewichtig, davon mehr als 300 Millionen fettleibig. Adipositas ist wie Diabetes nicht heilbar, gilt aber als gut behandelbar. Rund 2,6 Millionen Todesfälle und mindestens 2,3 Prozent der Gesundheitskosten werden weltweit jährlich durch Adipositas verursacht. Die Krankheit gilt als ein Hauptrisikofaktor für Arteriosklerose, Bluthochdruck, Schlaganfall und bestimmte Krebsformen.

Der Physiologe Andrew Pospisilik, gemeinsam mit Harald Esterbauer Leiter des Projekts, konnte im Herbst des vergangenen Jahres am IMBA Mäuse genetisch so verändern, dass die Kraftwerke der Muskelzellen, die Mitochondrien, ihre Leistung drosselten. Daraus schloss man am Institut, dass Diabetes vom Typ II - anders als bisher angenommen - offenbar kein "Störfall" in den Mitochondrien ist.

Die durch die genetische Veränderung verursachte Störung in den Zellkraftwerken glich exakt dem beschriebenen Defekt bei Menschen vor dem Ausbruch von Diabetes. Als diese Mäuse aber auf Anzeichen von Diabetes oder Fettsucht getestet wurden, erlebten die Forscher eine Überraschung: Die Tiere nahmen Insulin auf, ganz im Gegensatz zu Diabetespatienten. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 19.3.2008)