STANDARD: Sie sind kampferprobter Großkoalitionär. Können Sie sich an eine Phase erinnern, in der die Stimmung in einer SPÖ/ÖVP-Regierung jemals so verheerend war wie jetzt?

Khol: Ja, unter der Regierung Vranitzky, mit Frauenministerin Dohnal, als es um die Abschaffung des erhöhten Karenzgeldes für Alleinerziehende ging. Es war die gleiche eisige, feindselige Stimmung und das gleiche Hintreiben auf Spitz oder Knopf. Wobei es, wenn man die Sache kühl betrachtet, ein lösbares Problem wurde.

STANDARD: Ist das aktuelle Koalitionsproblem auch noch lösbar?

Khol: Wenn es nur um die Regierung der Republik Österreich geht, dann ist das relativ einfach lösbar. Wenn es um die eigene Haut von Spitzenfunktionären geht - sozusagen um nicht deklarierte Ziele -, dann kann etwas einen verborgenen Sinn haben. Wenn der Bundeskanzler im Hinblick auf seinen Parteitag im Oktober in einem Krach die einzige Lösung seiner persönlichen Probleme sieht, dann kommen wir nicht weiter. Es gibt offenkundig eine veritable Personaldiskussion in der SPÖ. Ich habe Alfred Gusenbauer als konsens- und lösungsorientierten Fachmann kennen und schätzen gelernt. Da sind jetzt andere Kräfte am Werk.

STANDARD: Welche?

Khol: Der linke Flügel der SPÖ, der sich nicht abfinden kann, dass die unhaltbaren Wahlversprechen nicht gehalten wurden und es zu einer echten Machtaufteilung zwischen den zwei Parteien gekommen ist.

STANDARD: Es gibt Beobachter, die sich jetzt an das Jahr 1995 erinnert fühlen. Trügt der Eindruck? Damals hatte die ÖVP unter Schüssel heftige Neuwahlgelüste und befriedigte die dann auch.

Khol: Ich glaube, dass die Neuwahl-Debatten Unterstellungen sind - sowohl bei den Sozialdemokraten als auch bei uns. Keine der beiden Parteien will Neuwahlen, weil beide Parteien wissen: Erstens: Es kommt nichts Besseres nach. Zweitens: Sie werden wieder von den Medien in eine Zusammenarbeit geprügelt. Drittens: Es ist terminlich gar nicht möglich. Als alter Parlamentspräsident weiß ich, jede Partei kann diese Zeitpläne für Neuwahlen über die Blockierung von Ausschussterminen verhindern. So eine Position wird immer wieder ausgenützt. Wenn die drei Tage lang sagen, wir haben da keine Zeit, ist das schon gefallen.

STANDARD: Wäre das Thema Steuerreform, eigentlich der Streit um den Termin dafür, es wert, diese Regierung platzen zu lassen?

Khol: Wenn man sich über so ein Thema schon einmal geeinigt hat, dann steckt hinter dem Platzen nicht nur ein Sachthema, sondern ein grundlegendes Nicht-mehr-Zusammenarbeiten-Wollen. Dann geht's einfach nicht mehr.

STANDARD: Notfalls den Preis zahlen?

Khol: So lasse ich mich nicht festnageln. Es gibt für jedes Problem, auch für dieses, eine sachgerechte Lösung, die beide Seiten mit erhobenem Haupt vertreten können. In dem Moment, wo man zum Regierungsprogramm zurückkehrt, ist das alles wieder machbar. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 20.3.2008)