Einer der besten Österreicher, der Kärntner Alex Lugger, bei Rofan Xtreme: Der österreichische Meister führt vor Hans Wieland. Die Spitzenläufer haben sich im nationalen Verband ASKIMO organisiert.

Foto: Alfred Ruff/ASKIMO
In gut eindreiviertel Stunden schinde ich mich mit Tourenskiern und Steigfellen am Rande der Piste hinauf. Knapp 700 Höhenmeter von der Talstation zum Bergrestaurant der Muttereralmbahn bei Innsbruck. Dutzende von flotten Hausfrauen, in Zweier- und Dreiergruppen, überholen mich, freundlich grüßend, ohne dabei aber nur einen Augenblick ihre Gespräche über schulschwierige Kinder, lästige Ehemänner oder die Sonderangebote der Woche zu unterbrechen. Ihre Zeit will genutzt sein, um zwölf Uhr muss daheim das Essen auf dem Tisch stehen.

Knapp vor dem Ziel dann so etwas wie ein plötzlicher Hurrikan. Ein etwa 25-Jähriger in hautengem Dress zieht an uns allen vorbei. Seine langen Laufschritte zischen über den morgenharten Firn, seine Stöcke hämmern Sechzehntelnoten in die Spur. Nach weniger als einer Minute ist er aus unser aller Blickfeld.

Als ich die Bergstation erreiche, hat er seine Felle schon abgezogen und die Tourenbindung auf Abfahrt gestellt. Wie lange er denn für den Aufstieg gebraucht habe? 36 Minuten, aber die wirklich Guten würden es in 28 Minuten schaffen, und bei einem Rennen würde die Bestzeit wohl noch einmal zwei Minuten darunter liegen.

Skibergsteigen ist zur Kampfzone geworden, mit hartem Training, einem regionalen, nationalen und internationalen Rennkalender, mit Weltcup und Weltmeisterschaften, ganz wie im alpinen Skilauf. Und ganz wie im alpinen Skilauf ist der Wettkampf die Spitze einer enormen sportlichen Breitenbewegung.

Skitourengehen boomt. Es ist die zweitpopulärste Wintersportart, noch vor Langlaufen und Eislauf, mit geschätzten 500.000 Aktiven in Österreich. Zweihundert davon betreiben diesen Sport inzwischen national und international rennmäßig. Weitere 2000 nehmen gelegentlich an lokalen und regionalen Bewerben teil. Eine Horrorvorstellung für manch alten Bergfex, dessen Skitourenglück nicht in Stunden, Minuten oder gar Zehntelsekunden, sondern in Tagen, Wochenenden und am liebsten ganzen Wochen gemessen wurde. Beginnend mit dem samstägigen Hüttenhatscher, gefolgt von drei- bis vierstündigen Gipfeltouren pro Tag. Und an den Nachmittagen saß man dann vor der Hütte, spielte Karten und trank das eine oder andere Viertel. Ein heutiger Wettkampf-Skibergsteiger hingegen absolviert bei einem einzigen Rennen tausende von Höhenmetern, unterteilt in zwei bis drei Aufstiege und Abfahrten plus einer hochalpinen Kletterpassage, bei der die Skier getragen werden müssen. Um in Form zu bleiben, trainiert er pro Jahr bis zu 450.000 Höhenmeter. Deshalb begrüßen die hochalpinen Tempobolzer auch jede Einigung zwischen Liftbetreibern und Skitourengehern, die ein Training auf künstlich beschneiten Pisten schon im Vorwinter erlaubt. Allerdings, so schränkt der Tiroler Meister im Wettkampf-Skibergsteigen, Alexander Fasser ein: "Auf der Skipiste bin ich als aufsteigender Tourengeher Gast, und so habe ich mich auch zu verhalten."

Das Skibergsteigen unter Zeitvorgaben ist indes keine Erfindung der postmodernen Freizeitgesellschaft. Ziemlich vergessen ist, dass es zwischen 1924 und 1948 viermal olympische Disziplin war. Ähnlich wie der ebenfalls aus dem militärischen Bereich stammende Biathlon war der "Patrouillenlauf" Teil der Olympischen Winterspiele, bis ihn ein Lawinenunglück aus den Bewerben warf.

Unter den erfolgreichsten Skitouren-Nationen liegt Österreich zur Zeit hinter den großen vier - Italien, Frankreich, der Schweiz und Spanien - auf Platz fünf, auch in der Publikumsgunst. Die besten Österreicher wie der Steirer Andi Ringhofer oder der Kärntner Alex Lugger können nur vor Neid erblassen, wenn der Schweizer Florent Troillet bei einer WM mit seinem 200 Kopf starken Fanclub anrückt.

Einen Grund für Österreichs Nachhinken sieht der Funktionär des Landesverbands für Wettkampf-Skibergsteigen Tirol, Werner Brugger, in mangelnder öffentlicher Förderung. Nachdem die Speed-Freaks beim Alpenverein abgeblitzt waren, gründeten sie vor zwei Jahren die Austrian Skimountaineering Organisation for Competitions (ASKIMO) als nationalen Verband unter einer internationalen Dachorganisation. Überraschend erkämpften die Österreicher jetzt bei der WM in der Schweiz im Februar zehn Top-Ten-Platzierungen.

Da schon das Skitourengehen als Breitensport jährliche Zuwachsraten von 15 Prozent erzielt, gibt es für die Rennen inzwischen ein Sponsoring durch die Sportartikelindustrie, das bescheidene Siegesprämien erlaubt. Und über Wettbewerbe wie "Mountain Attack" in Saalbach-Hinterglemm berichtet mittlerweile sogar das Fernsehen.

Die Funktionäre betonen auch ihre Verantwortung gegenüber alpinen Gefahren. Helm, Lawinensuchgerät, Lawinenschaufel und Suchsonde gehören zur Pflichtausrüstung jedes Wettkampfteilnehmers. Die Lawinenlage wird bei jedem Wettkampf berücksichtigt. Und strengste Kontrollen, so Werner Brugger von der ASKIMO, sollen mögliches Doping schon im Keim ersticken.

Immerhin will sich Schladming für die Skitouren-WM 2012 bewerben. Und das norwegische Tromsö verspricht, falls es den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2018 erhält, Skibergsteigen zumindest als Demo-Wettbewerb ins Programm zu nehmen. Spätestens bis dahin wollen die Österreicher zu den Besten aufschließen. (Berg- und talwärts/DER STANDARD/Rondo/21.3.2008)