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Richterin Claudia Bandion-Ortner präsentierte am Donnerstag eine der Kisten aus dem Flöttl-Keller mit der Aufschrift "Karibik".

Foto: APA/Schlager

Wien - 82. Tag im Bawag-Prozess, Ex-Bawag- und Ex-Refco-Manager Thomas Hackl brach den Zeugenrekord: Er sagte zum vierten Mal aus. Gegen Hackl läuft ein Vorverfahren wegen Verdachts der Beihilfe zur Untreue; es gilt die Unschuldsvermutung.

Bei der Vernehmung des Investmentbankers kamen en passant interessante Details zu Tage, etwa, dass eine Investorengruppe rund um Martin Schlaff eine Investmentbank auf den Bahamas gründen wollte; eine Idee, die sich aber wieder zerschlug.

Der Herbst 1998

Lange wurde über den Herbst 1998 geredet, in dem Wolfgang Flöttl sein gesamtes Bawag-Geld verloren hatte. Hackl rief die Rahmenbedingungen für die Verluste in Erinnerung; damals war die Russland-Zahlungskrise nach Asien geschwappt, die Finanzmärkte brachen ein. In der Wiener Seitzergasse blieb man ruhig; auch die Fast-Pleite des Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) ließ keine Alarmglocken schrillen. LTCM hatte Anfang 1998 noch 7,3 Mrd. Dollar Eigenkapital, in seiner Chefetage saßen zwei Nobelpreisträger (Myron Scholes und Robert C. Merton) - am 23. September 1998 musste der Hedgefonds von der Fed gerettet werden. Darüber sprach damals "fast jeder Banker" (Hackl) - nur der Bawag-Vorstand nicht. Helmut Elsner auf die Frage der Richterin ("Warum nicht, sie hatten doch damals rund 550 Millionen Dollar im Spiel?"): "Ich war nicht im Treasury beschäftigt, das hatte für mich keine Relevanz. Die Krise mit Flöttl in Zusammenhang zu bringen, ist absurd".

Zu spät

Dem Angeklagten Christian Büttner wiederum kam die Idee, dass auch Flöttls Engagements (hauptsächlich in Yen) von der Krise betroffen sein könnten, zu spät. Er sei damals froh gewesen, dass er die Russland-Forderungen der Bawag rechtzeitig verkauft habe, "in die Flöttl-Geschäfte hatte ich ja keinen Einblick". Erst nach Eintritt des Totalverlustes (von dem Flöttl den Vorstand am 23. Oktober informierte) "habe ich Eins und Eins zusammengezählt". Sein Vorstandskollege, Hubert Kreuch, realisierte die Krise überhaupt erst "Wochen später; möglicherweise sprachen die Fachleute früher davon, aber die hören ja das Gras wachsen".

Ungelesene Verträge

Was Flöttl, der das gesamte Geld in den ersten zwei Oktober-Wochen verlor, zu sagen hatte? "Als ich von der Russland-Krise im Sommer 1998 erfuhr, war ich noch stolz, dass ich dort nicht investiert war. Ich dachte auch noch Ende September, dass ich gut bin. Aber ich war es nicht."

Nach dem Thema Finanzkrise 1998 (an dem abgetestet wird, ob der Bankvorstand seiner Sorgfaltspflicht bei Begleitung und Kontrolle seiner Flöttl-Geschäfte nachgekommen ist), war wieder Zeuge Hackl am Wort. Es ging um die Unibond-Verträge, in deren Rahmen ja weitere 430 Mio. Euro an Flöttl flossen. Als es um die Ausgestaltung der Verträge ging, bekamen die (ferien- und kaltfrontbedingt: zahlreichen) Zuhörer im Großen Schwurgerichtssaal eine Vorstellung der besonderen Art, durften einen Blick machen in die Arbeitswelt des Bawag-Vorstands; konkret in jene Hubert Kreuchs.

Zeuge Hackl hatte zuvor gemeint, er glaube nicht, dass jedes Vorstandsmitglied die englischen Verträge "von A bis Z gelesen" hätte; Übersetzungen habe es nicht gegeben.

Erklärte Verträge

Richterin an Kreuch: "Sie haben die Verträge unterschrieben, obwohl sie sie nicht verstanden haben?" Kreuch: "Sie wurden mir erklärt, darauf habe ich mich verlassen. Ich habe ja auch den Kaufvertrag für die PSK (die Bawag hat sie 2000 um 17,6 Mrd. Schilling vom Staat gekauft; Anm.) unterschrieben, den haben Rudolf Streicher (von der Verkäuferin ÖIAG), Elsner und ich auch nicht durchgelesen. Oder T-Mobile: Wenn jeder den ganzen Vertrag durchliest, sitzt man drei Tage. Da ist dann die letzte Seite da und die wird unterfertigt. Dieses Vorgehen ist normal."

An dieser Stelle unterbrach der Staatsanwalt den Angeklagten, der dabei war, sich eine neue Anklage einzuhandeln. Krakow empfahl ihm, "die Fragen jetzt nicht mehr weiter zu beantworten". Um später selbst weiterzufragen, ob sich denn Kreuch nicht "selbst eine Meinung gebildet hat über die Vor- und Nachteile". Kreuch: "Herr Staatsanwalt, der Vorstand ist ein Kollektiv, ich habe die Erwägungen zu plausibilisieren, wenn eine Entscheidung gut ist, dann sage ich ja dazu". Krakow: "Haben Sie geprüft, ob das gescheit oder nicht gescheit, billig oder teuer ist?" "Ja, ich schaue mir das an und bringe allenfalls Einwendungen vor. Und", so ruderte Kreuch zurück, "ich habe auch die Sondergeschäfte auf ihre Plausibilität überprüft".

Der Bericht der Notenbank

Zuguterletzt schwenkte die Richterin zum Bericht der Notenbank (OeNB) über die ersten Karibik-Geschäfte 1994 zurück. Und gewährte spannende Einblicke - in die kleine Welt der Prüfer und Geprüften.

Damals führte Staatsanwalt Erich Müller ein Vorverfahren gegen Flöttl sen., das später eingestellt wurde. Bandion-Ortner las einen Brief von Walter Flöttls Anwalt, Werner Sporn, Ende Juli 1994 an den im Justizministerium zuständigen Sektionschef Christoph Mayerhofer vor. Sporn beklagte darin, dass im OeNB-Schlussbericht "nicht mehr auf die Erträge der Bawag" aus den Sondergeschäften eingegangen worden sei. Er habe daher die KPMG (Bawag-Buchprüfer) beauftragt, diese Erträge "aus den Bawag-Büchern" zu eruieren. KPMG sei auf Vermögensvorteile von drei Mrd. Schilling gekommen. Diese Rechnung habe er OeNB-Generaldirektor Adolf Wala vorgelegt, dem das "plausibel" erscheine; "detaillierte" Berechnungen würden einen "enormen Prüfaufwand" erfordern. Man ersuche "um Rücklegung der Anzeige".

Zuvor hatte der Anwalt des Bankchefs schon an OeNB-Direktor Dietmar Spranz geschrieben, und zwar von "Sondererträgen unter Einbeziehung der Einsparung von Wertberichtigungen" (durch die an Flöttl jun. verkauften faulen Russland-Forderungen) von 5,4 Mrd. Schilling".

Zur Erinnerung: Walter Flöttl war noch bis 28. April 1998 Mitglied des Generalrats der OeNB. (Renate Graber, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 21.3.2008)