Vater MacGuff und sein "verantwortungsloses Kind" auf der Suche nach geeigneten Adoptiveltern: J. K. Simmons und Ellen Page in Jason Reitmans famoser Indie-Komödie "Juno".

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Wien – Juno ist sechzehn. Sie geht noch zur Schule. Sie spielt in einer Band, und eines schönen Nachmittags hat sie – gewissermaßen im Sinne von "Jugend forscht" – Sex mit ihrem gleichaltrigen Bandkollegen. Das kleine Experiment hat Folgen. Nach einem Kanister Orangensaft und dem dritten positiven Schwangerschaftsschnelltest gibt es Wochen später keinen Zweifel mehr: Juno ist schwanger. Es besteht Handlungsbedarf.

Gerade im Unterhaltungskino geben solche Situationen tendenziell eher Anlass zu einer Wendung ins (Melo-)Dramatische bis Sentimentale: Die Schwangerschaft ist eine Bewährungsprobe. Die Protagonistin geht daraus, nicht selten ganz auf sich allein gestellt, im günstigeren Fall gestärkt hervor. Und zwar, um in der Folge ihr neues Leben als Alleinerzieherin zu meistern und zu einer verantwortungsvollen autonomen Persönlichkeit heranzureifen. Als solche erscheint sie dann auch endlich für die richtigen Männer begehrenswert. So haben es in der Vergangenheit beispielsweise Natalie Portman als Mutter des "WalMart-Babys" in "Where the Heart Is" (2000) oder Drew Barrymore in Penny Marshalls "Riding in Cars With Boys" (2001) vorgemacht.

Juno dagegen ist eine Komödie. Und bleibt es bis zum Schluss. Was man wiederum nicht so missverstehen sollte, dass es hier völlig an realistischer Einsicht in den Ernst der Lage fehlen würde (das hat sich jüngst noch nicht einmal Judd Apatows näher an der Gross-out-Comedy angesiedelter "Knocked Up" getraut).

Nachdem man also mit einer ziemlichen Steilvorgabe ins Geschehen eingestiegen ist – nicht nur bezüglich der Thematik, sondern auch hinsichtlich der ausgeklügelt komischen verbalen Schlagabtäusche, die sich Juno zu liefern imstande ist –, beginnt der Film seine Figuren langsam zu profilieren:

Juno, verkörpert von der patenten 21-jährigen Kanadierin Ellen Page, geht die Sache nämlich pragmatisch an. Nachdem sie eine Abtreibung nach einem Besuch in der Tagesklinik für sich ausgeschlossen hat, beginnt sie, Adoptiveltern für ihr Baby zu suchen. Ernstzunehmende Kandidaten scheinen im lokalen Gratisblättchen bald gefunden, nun muss Juno nur noch ihre eigenen Eltern von all dem in Kenntnis setzen.

Komisch naheliegend

Und spätestens hier kommt jene einnehmend menschenfreundliche Note ins Spiel, die diesen Film so besonders macht. Was man sich nämlich eigentlich gar nicht vorstellen kann, obwohl es nicht so ungewöhnlich sein sollte, das geschieht: Mac MacGuff (J. K. Simmons), der seine Tochter immerhin nach der römischen Göttermutter benannt hat, und seine zweite Frau Bren (Allison Janney) schlagen ob der Mitteilung zwar keine Purzelbäume (frei nach dem Motto "Ein Schulverweis oder ein Vollrausch wären mir lieber gewesen!"). Aber sie sind selbstverständlich bereit, ihr Kind zu unterstützen.

Dieser einfache Trick, nämlich das Naheliegendste und zugleich doch Unerwartetste weiterzuspinnen, führt in der Folge dazu, dass sich sowohl das kinderlose adoptionsbereite Yuppiepärchen (Jennifer Garner und Jason Bateman) wie auch der selbst noch recht kindlich wirkende Kindsvater (Michael Cera) als weit komplexere Charaktere erweisen, als es zunächst den Anschein hat.

In diesem Sinne begleitet man die jugendliche Heldin und ihre Entourage durch den Jahrlauf, den sportliche und musikalische Routinen markieren. Und wundert und freut sich gleichermaßen über das allmähliche Aufgehen dieses Erzählwerks. Für die Inszenierung ist Jason Reitman zuständig, ausgedacht hat sich Juno eine junge Autorin mit dem klingenden Namen Diablo Cody, die dafür vor knapp einem Monat dann auch gleich den Oscar für das Beste Originaldrehbuch erhielt.

Demnächst wird ihre nächste Idee unter der Ägide von Steven Spielberg umgesetzt. "The United States of Tara", eine TV-Serie um eine Heldin mit dissoziativer Persönlichkeitsstörung, die Toni Colette spielen soll. Auch dieses Projekt wird unter "Komödie" eingeordnet. Wer weiß, worüber wir mit Frau Cody noch zu lachen lernen. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2008)