Bild nicht mehr verfügbar.

André Heller sagt "Afrika! Afrika!" nun Adieu: "Was ich dafür an Gutem tun konnte, habe ich erschöpfend getan. Ich will frei sein für Reisen zu neuen Ufern."

Zur Person
Franz André Heller, geboren am 22. März 1947 in Wien, ist Liedermacher, Regisseur, Autor, Selbstdarsteller, Impresario und Ideenspender.



Foto: APA/Pfarrhofer
Seit Donnerstag gastiert "Afrika! Afrika!" wieder – und zum letzten Mal – in Wien. André Heller antwortete Claus Philipp via Mail.

Standard: Wenn Sie zurückblicken auf die Genese von "Afrika! Afrika!": Gibt es da ein Erlebnis, das Ihnen heute besonders beispielhaft erscheint?

Heller: Mittlerweile ist für mich das Beeindruckendste, wie sich die Gesichter und die Körpersprache der meisten Besucher spätestens 15 Minuten nach Beginn der Show entspannen und sich in staunende Kinder verwandeln. Die hohe, funkelnde, sinnliche Energie, die von den Künstlern ausgesandt wird, erhalten sie vom Publikum verlässlich zurück. Davon kann man sehr viel für die eigenen Handlungsweisen lernen.

Standard: Wie würden Sie Ihre Rolle im Rahmen der Show beschreiben? Mastermind, Executive Producer, Regisseur?

Heller: Ich bin so etwas wie ein beharrlicher Traummaschinist, der alles Notwendige unternimmt, um seine drängendsten Wunschbilder in der so genannten Wirklichkeit auf ihre Statik zu überprüfen. Freilich schrumpft dann immer der schöne Gedanke zur Tat. Oder was ist die männliche Form von Hebamme? Vielleicht Hebammerich. Ich schau halt drauf, dass die Kinder meiner Fantasie ihre Geburt gesund und mit frohem Herzen überstehen.

Standard: Inwiefern hat sich Ihre Zugangsweise als Gestalter von Spektakeln über die Jahre verändert?

Heller: Früher war ich sehr viel erfolgsgieriger und angstbeladener – und aus diesen Nöten heraus habe ich mich aufgeplustert und gelegentlich schwer überschätzt. Heute sind gottlob viele meiner Dämonen durch mühselige und langjährige Auflösungsvorgänge gebannt. Daher muss ich nicht mehr vorrangig etwas beweisen, sondern agiere eher wie ein altmodischer, mit einer gewissen Gelassenheit ausgestatteter Privatgelehrter, der durch seine Freude an genauen Versuchen fähiger werden will. Die Oberhand hat nicht mehr mein Ego und der aufgeregt schlau sein wollende Geist, sondern die klugen Bedürfnisse meiner Seele. Das ergibt natürlich ganz andere Prioritäten und eine gewandelte Handschrift.

Standard: Was, denken Sie, verbinden die Leute mit Ihrem Namen im Logo einer Show?

Heller: Ich liege sicher nicht ganz falsch mit der Vermutung, dass sie mich mit dem, was Extravaganz genannt wird, verbinden.

Standard: Inwiefern spielte Ihr Name in London eine Rolle?

Heller: Die Verständnisse und Missverständnisse, die sich um einen bekannten Namen ranken, locken durchaus Medienmenschen zu Pressekonferenzen, aber bringen muss es schließlich das kreative Arbeitsergebnis selbst. Zwei Millionen verkaufte "Afrika! Afrika!"-Tickets weltweit verdankt man hauptsächlich der Mundpropaganda begeisterter Besucher. Da lässt sich kaum etwas mit Namen und Werbegeldern manipulieren.

Standard: Apropos Name: Erscheint es Ihnen nicht zunehmend frustrierend, doch immer wieder für die Agenden der SPÖ in die Bresche zu springen?

Heller: Aber ich springe doch nicht für die SPÖ, deren Mitglied ich nie war, in die Bresche, sondern empfinde die Koalitionsregierung als ebenso abstoßend und die Erwartungen der Bürger verhöhnend wie wahrscheinlich Sie. Ich teile auch den Frust über Schwächen der SPÖ und diesen beklemmenden Spießrutenlauf, dem Alfred Gusenbauer derzeit von Feind und Parteifreund und natürlich gelegentlich auch von seinen eigenen Fehlern und Unachtsamkeiten ausgesetzt ist. Die Hauptursache des Debakels liegt aber zweifellos in der wütenden Verachtung, die Herr Schüssel und seine Getreuen dem unerwarteten Wahlsieger gegenüber stets empfanden und vehement ausdrückten. Die Schüsselianer halten das Wahlergebnis offenbar für eine Chuzpe des Schicksals, der man quasi nur mit kollektiver Bestrafung aller Österreicher begegnen kann, indem man jede konstruktive Absicht des Koalitionspartners blockiert. Das erinnert ein bisschen an ein Irrenhausdrama.

Standard: Ist es erst notwendig, dass die Partei eine Koalition mit der FP eingeht, damit man sich von ihr abwendet?

Heller: Es zahlt sich doch, bitte schön, aus, daran mitzuarbeiten, dass verhindert wird, jenen Kräften in der SPÖ eine Chance zu geben, die solch einen gefährlichen Unsinn für verantwortbar halten. Für mich und mindestens zehntausende andere wäre eine rote Koalition mit den Blauen der radikale Abschied von der österreichischen Sozialdemokratie. Da würden wahrscheinlich sogar ehemalige Parteivorsitzende wie Franz Vranitzky austreten.

Standard: Zurück zu "Afrika! Afrika!": Zuletzt gab es im "Spiegel" Berichte über eher fragwürdige Verträge und Bezahlungen der Artisten. Von den Produzenten der Show wird dies vehement dementiert. "Ausbeutung" ist möglicherweise genauso Bestandteil der Faszination für diese Kunstform wie die Geschichte vom Artisten als "One Trick Pony". Wie ist Ihre Haltung?

Heller: Ich bin wie etwa Andrew Lloyd Webber oder Mel Brooks bei Aufführungen ihrer Musicals ausschließlich künstlerischer Lizenzgeber der Show und komme mit Vertragsgebarungen des Produzenten und dessen aufwendiger Durchführung und Organisation von "Afrika! Afrika!", sollten sie nicht mich ganz persönlich betreffen, nie in Berührung. Aber ich habe mich selbstverständlich sofort kundig gemacht. Das Studium der Künstlerverträge, in die Sie gerne Einsicht nehmen können, beweist, dass die am geringfügigsten bezahlten Ensembletänzer 1600 Euro im Monat netto verdienen. Dazu kommen noch extra: Wohnen, Essen, Transporte, Versicherungen und Steuern. Diese Extras hat der "Spiegel" nicht erwähnt. Die Arbeitszeit beträgt maximal 50 Minuten pro Show. So sieht wohlgemerkt die Mindestgage aus, ohne Zusatzverdienst für Zusatzvorstellungen, die es auch immer wieder gibt. Solokünstler verdienen natürlich mehr, einige das Zehnfache dieser Mindestgage. Viele Journalisten, Krankenschwestern und Lehrer wären über solche Einkommen wohl äußerst dankbar.

Standard: Was war Ihr entscheidendes Zirkuserlebnis?

Heller: 1952 im grauen, schlecht beleuchteten kriegsbeschädigten Wien besuchte ich den legendären Zirkus Rebernigg als einen Ort der Farben und der anarchischen Clowns, angefüllt mit grotesken Beweisen für Unwahrscheinlichkeitstheorien. Ich sehe noch heute den anmutigen Seiltänzer vor mir, der für einen kurzen Luftspaziergang buchstäblich alles riskierte. Später habe ich dann bei Jean Genet sinngemäß gelesen, dass ihm die tödliche Gefahr, die Seiltänzer auf sich nehmen, weitaus verständlicher und sympathischer sei als jene, auf andere Weise tödliche, die sich allzu viele Menschen zumuten, die tagtäglich verzweifelt im und am Büro leiden. Dieser Einschätzung habe ich mich im Großen und Ganzen angeschlossen.

Standard: Verraten Sie uns etwas über kommende Projekte?

Heller: Jetzt verlasse ich die Produktion "Afrika! Afrika!" für immer, denn was ich dafür an Gutem tun konnte, habe ich erschöpfend getan. Ich will frei sein für Reisen zu neuen Ufern. Ein großes Garten- und Werkstättenprojekt in Marokko, ein Erzählband für S.Fischer, ein Musiktheaterabend in New York sind einige der Herausforderungen. Ich genieße dankbar die Freiheiten, die mir gegönnt sind, und nähere mich nach 61 Jahren dem Ideal, nur noch mit liebevollen und kompetenten Verbündeten ganz und gar ausredenlose Arbeitssituationen in vorwiegend südlichen Gegenden zu akzeptieren. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2008)