Wenn der Präsident ein offizielles Schreiben an die Vereinten Nationen nach New York schickt, bekommt er den Brief ungeöffnet zurück. Denn die sogenannte internationale Gemeinschaft ist eben nicht für alle offen, auch nicht für ein Land mit 23 Millionen Einwohnern, das unter anderem Computer für die ganze Welt entwickelt. Chen Shui-bian, dessen Nachfolger an diesem Wochenende gewählt werden wird, hinterlässt Taiwan eine bittere Erfahrung: Demokratie und Exportrekorde zahlen sich nicht immer aus.

Taiwan wird nach wie vor aus Rücksicht auf die ungleich mächtigere Volksrepublik China nicht anerkannt. Tibeter prügeln, Regierungskritiker einsperren finden die Regierungen in Europa und den USA mitunter unschön, aber hinnehmbar. Der chinesische Markt mit seinen Profitchancen wiegt auch noch jede moralische Überlegung auf. Taiwanische Fernsehleute und Journalisten nicht in die Presseräume der UNO zu lassen, wie es Jahr für Jahr etwa bei der Weltgesundheitsbehörde in Genf geschieht, wo Taiwan gerade einmal den Status eines Beobachters erbittet - das ist eben eine Protokollfrage. Wer nicht Teil der internationalen Gemeinschaft ist, hat das Nachsehen.

Die Erniedrigung der einzigen voll funktionierenden chinesischen Demokratie ist eine gute Nachricht für alle autokratischen Regime in Ostasien. Auf die Biegsamkeit der "Realpolitiker" im Westen ist stets Verlass. Chen Shui-bian hatte während zweier Amtszeiten versucht, sein Land aus der Umklammerung Pekings zu lösen. Die Demokratien im Westen haben ihn dabei im Stich gelassen. Chens Kurs hat auch die Bürger der Inselrepublik gespalten; eine Mehrheit hat der frühere Bürgerrechtler dennoch in zwei Präsidentschaftswahlen erhalten. Die Welt wäre friedlicher, gäbe es mehr entwickelte Demokratien wie Taiwan. Von Staaten, die anders als Taiwan mit der Anerkennung belohnt wurden, lässt sich das nicht so schnell behaupten. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.3.2008)