Der Kandidat und sein Pfarrer, plötzlich ist es das bestimmende Thema der Wahlkampagne. Europäer mögen das seltsam finden, für Amerikaner ist es das nicht. Zu 60 Prozent gehen sie, sofern sie christlichen Glaubens sind, mindestens einmal pro Monat in die Kirche, zu 43 Prozent an jedem Sonntag. Man sucht sich einen Priester, mit dem man sich identifiziert, auch wenn man dafür ein paar Kilometer weiter fährt. Barack Obama hat Jeremiah Wright zu seinem Seelsorger erkoren. Seit fast 20 Jahren hört er den energiegeladenen Mann von der Kanzel predigen, was seinen bislang so mitreißenden Wahlkampf nun in eine ernste Krise stürzt.
Immer wieder laufen sie über die Fernsehsender, die kurzen Videos, die Wright dabei zeigen, wie er sich hineinsteigert in eine Rhetorik, die viele heftig irritiert. "Gott verdamme Amerika", ließ er seine Gemeinde singen. Die USA nannte er die "US of KKKA", ein Land im Griff weißer Rassisten vom Schlage des Ku-Klux-Klan. Ausrutscher waren das nicht. Wright streute auch die These, wonach das Weiße Haus den Aids-Virus herstellen ließ, um Menschen dunkler Hautfarbe zu töten. Was das Problem für Obama ist, liegt auf der Hand.
Während er selbst ein Amerika symbolisiert, das die Gräben der Rassentrennung überwunden hat und nach vorne schaut, klingt sein Pfarrer, als wäre er wie in einer Zeitkapsel in den sechziger Jahren stecken geblieben. Als verleugne er alles, was sich seitdem zum Positiven veränderte. Man braucht wenig Fantasie, um sich auszumalen, welche Geschichte die Gegner Obamas daraus stricken. "Sag mir, wer dein Pfarrer ist, und ich sage dir, wer du bist": Der Spruch ist, zigfach abgewandelt, in den Debatten zu hören.
Wright als Waffe für Clinton
So neu, so anders scheine der Newcomer ja gar nicht zu sein, ist aus den Lagern Hillary Clintons und John McCains zu hören. Aktuelle Umfragen lassen so etwas wie Alarmstimmung unter Obamas Anhängern aufkommen. 56 Prozent aller Wähler - unter den Anhängern der Demokraten sind es 44 Prozent - geben an, dass sie weniger geneigt sind, für Obama zu stimmen, nachdem sie die Tiraden seines Priesters hörten. Im Moment sieht es so aus, als wäre Jeremiah Wright die beste Waffe der Clinton-Kampagne. In Philadelphia hielt Obama denn auch eine Rede zu den Rassenbeziehungen, die zum Ehrlichsten gehört, was überhaupt zu dem Thema gesagt worden ist. "Er hat über Dinge gesprochen, um die wir immer herumtanzen", brachte es Whoopi Goldberg auf den Punkt. (Frank Herrmann aus Washington/ DER STANDARD, Printausgaeb 21.3.2008)