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Gast aus den Niederlanden wird nach Skiunfall heimgeflogen: Tausende carven über ihre Verhältnisse.

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Grafik: STANDARD
Salzburg - "Ja, die Leute fahren über ihre Verhältnisse." Und: "Es ist auch ein Frage des Materials, der stark taillierten Carving-Skier." Hanno Bilek, Unfallstatistiker beim Kuratorium für Alpine Sicherheit, will das Problem der Pistenunfälle und der hohen Unfallzahlen nicht kleinreden. Nur: Die Schlagzeile vom "Schlachtfeld Piste" hält er "für übertrieben". Auch gern formulierte Trends, nach denen allgemein mehr passiere, könne man "seriös nicht bestätigen", sagt Bilek im Standard-Gespräch.

Differenziertes Bild

Allein wenn man die Zahl der tödlichen Unfälle vergleiche, ergebe sich ein differenziertes Bild: 47 Pistentoten in der Saison 2005/06 stehen 37 der Saison 2006/07 und 21 der aktuellen Saison gegenüber.

Statistiker Bilek interpretiert das so: 2005/06 wäre von der Schneelage her ein attraktiver Skiwinter gewesen, das Jahr darauf nicht. Schon deshalb nehme die Zahl der Toten ab. Die aktuellen Daten sind nicht endgültig, immerhin dauert die Saison in manchen Regionen bis Anfang Mai.

Insgesamt ist die Datenlage reichlich verworren. Wenn etwa einzelne Krankenhäuser wie jenes im Pongauer Schwarzach von einer Zunahme bei stationären Aufnahmen nach Skiunfällen um zehn Prozent berichten, korrespondiert dies nicht unbedingt mit den Zahlen der Alpinpolizei aus ganz Österreich.

Die Kriterien sind unterschiedlich. Die Spitäler werten medizinische Indikationen aus, für die Polizei ist die Definition einer schweren Verletzung im Strafgesetzbuch festgeschrieben. Polizeilich gesehen bleibt die Anzahl zwischen 1550 und 1600 pro Jahr vorerst relativ stabil.

Was die erhobenen Daten auch nicht berücksichtigten, sei das Verhältnis von Unfallereignissen zu gefahrenen Kilometern, räumt Kuratoriumsstatistiker Bilek ein. Da in den vergangenen Jahren die Beförderungskapazitäten aber deutlich erhöht worden seien, würden auch mehr Kilometer gefahren. "Dann passiert auch mehr."

Keine Beruhigung

Für die Unfallchirurgen ist dies alles keine Beruhigung. Durch die immer höheren Geschwindigkeiten steige der Verletzungsgrad, heißt es bei den Sporttraumatologen unisono. Neben dem Tempo spielt auch die Kondition eine wichtige Rolle: Zwei Drittel der Wintersportler verletzen sich am Nachmittag; die überwiegende Mehrheit davon auf mittelschweren (roten) oder leichten (blauen) Abfahrten.

Apropos unklare Datenlage. Die Gesamtzahl der Pistenunfälle wird in Österreich nicht erhoben. Allerdings gibt es ziemlich genaue Hochrechnungen. Die Daten der Alpinpolizei entsprechen etwa einem Zehntel. Demnach haben sich im aktuellen Winter bisher rund 50.000 kleiner und größere Unglücke auf den heimischen Pisten ereignet. Bis Mai dürften es, so die ersten Prognosen, wieder rund 65.000 werden - das entspricht in etwa der Zahl von 2005/06.

Nicht im Griff

Auch das Bild der Unbelehrbaren, die ihre Hightech-Carver nicht in den Griff bekommen, wird durch das statistische Material zumindest in einen Detail ein klein wenig korrigiert. Immerhin sind in diesem Winter bereits doppelt so viele in Unfälle verwickelte Skifahrer mit Helm unterwegs gewesen als noch vor zwei Jahren. Die Helmmoral nehme zu, heißt es beim Kuratorium.

Das allerdings zuallererst bei den Kindern. Nach einer von der bayerischen Staats- und der Salzburger Landesregierung durchgeführten Erhebung sind nur 19 Prozent der Erwachsenen mit Helm unterwegs. Auf die Köpfe des Nachwuchses passen die Eltern besser auf: 85 Prozent des Nachwuchses stehen bereits mit Kopfschutz am Hang. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2008)