Wien - Die von Vertretern der jüdischen Religionsgemeinschaft scharf kritisierte Karfreitagsfürbitte im alten römischen Ritus ist in ihrer jetzigen Form eine weitgehend entschärfte Neufassung eines bis vor einigen Jahrzehnten verwendeten Textes. In der seit dem 6. Jahrhundert bezeugten Formulierung wurde nämlich eine Fürbitte für die "treulosen Juden" ausgesprochen. Erst unter Papst Johannes XXIII. wurde dieser Ausdruck 1959 gestrichen. Im Messbuch von 1962 findet er sich nicht mehr.

"pro perfidis Judaeis

Davor gestalteten sich die Großen Fürbitten der Karfreitagsliturgie nach Darstellung von Bert Groen, Professor am Institut für Liturgiewissenschaft der Universität Graz, laut einem im Internet veröffentlichten Vortrag folgendermaßen: Der Priester sang feierlich neun Fürbitten, darunter eine für die Juden. Diese stand nach der Fürbitte für die Ketzer und Schismatiker und vor derjenigen für die Heiden. Es wurde dabei gebetet "für die treulosen (ungläubigen) Juden" (pro perfidis Judaeis). Der Priester rief dazu auf, zu beten, dass Gott "den Schleier von ihren Herzen wegnimmt, damit auch sie Jesus Christus erkennen".

Die Themen des gleich darauffolgenden Gebets waren das Mitleid, das Gott "sogar" mit der "jüdischen Treulosigkeit" hat; die Verblendung des jüdischen Volkes; die Bitte an Gott, dass sie "das Licht deiner Wahrheit, das Christus ist, erkennen und ihrer Finsternis entrissen werden". Im Gegensatz zu den acht anderen Fürbitten, bei denen der Diakon die Gläubigen jeweils aufforderte, niederzuknien, wurde die Kniebeuge beim Gebet für die Juden weggelassen. Der Grund für die seit dem Ende des achten Jahrhunderts bezeugte Unterlassung des Kniens war, dass sich - laut den Berichten im Neuen Testament - die Juden vor dem leidenden Christus niedergekniet hätten, um ihn zu verhöhnen.

Benedikt XVI. führte neue Fürbitte ein

Papst Johannes XXIII. ließ das Wort "treulos" (perfidus) streichen und führte die Kniebeuge auch bei der Fürbitte für die Juden ein. Nach der allgemeinen Wiederzulassung der Messfeier im alten Ritus im Jahr 2007 ersetzte Benedikt XVI. ab 2008 das Gebet für die Juden in diesem Ritus durch eine neue Formulierung. Diese lautet nun: "Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen. (Kniebeuge) Allmächtiger ewiger Gott, der Du willst, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Gewähre gnädig, dass beim Eintritt der Gesamtheit der Völker in Deine Kirche ganz Israel gerettet wird." (APA)