Ausgerechnet zu Ostern flammt ein alter Glaubenskonflikt wieder auf: In der Karfreitagsfürbitte des Vatikans wurde für die "Erleuchtung" der Juden gebetet. Es ist geradezu eine Verhöhnung für Juden, wenn just im Umfeld des Karfreitags die katholische Kirche wieder für die Erleuchtung der Juden bittet, damit sie Jesus als Heiland erkennen.

Damit hat Benedikt XVI. die Gefühle vieler Juden verletzt, wie er zuvor schon Muslime und Angehörige der evangelischen Kirche vor den Kopf gestoßen hat. Dieser Papst, der mehr als zwanzig Jahre Chef der Glaubenskongregation im Vatikan war, versucht, das Spezifische seiner Kirche herauszuarbeiten: indem er die katholische Kirche in Abgrenzung von anderen Glaubensrichtungen definiert und damit ihren Absolutheitsanspruch untermauert.

Er geht dabei offensichtlich systematisch vor: Anderthalb Jahre ist es her, dass Papst Benedikt mit seiner Regensburger Rede zu "Glauben und Vernunft" und einem den Propheten Mohammed abwertenden Zitat - dieser habe "nur Schlechtes und Inhumanes gebracht" - die muslimische Welt brüskierte. Benedikt XVI. hat zwar nach der Aufregung darauf verwiesen, dass er nur den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos zitiert habe. Er hat sich später dafür entschuldigt, aber in der Sache nichts zurückgenommen.

Dass ihm dieses Zitat nicht passiert ist, wie einige Kirchenbeobachter nach der Regensburger Rede meinten, bestätigte sein Berater für Islamfragen, der amerikanische Jesuit Joseph Fessio, der die Begründung dafür lieferte: "Der Westen steht wieder einmal unter Belagerung, und zwar in doppelter Hinsicht, denn neben den Terroranschlägen existiert eine neue Form der Eroberung: Immigration in Verbindung mit hohen Geburtenraten." Fessio rief auch dazu auf, "dem mutigen Beispiel des Heiligen Vaters" zu folgen - und den Islam zu bekämpfen.

Dann kam die evangelische Kirche dran: Ein im Juli vorigen Jahres veröffentlichtes vatikanisches Papier bestätigte die vom jetzigen Papst Benedikt XVI. in seiner früheren Eigenschaft als Präfekt der römischen Glaubenskongregation verfasste Erklärung "Dominus Iesus", die die Vorrangstellung der katholischen Kirche betont und die Protestanten nicht als "Kirchen im eigentlichen Sinn" anerkennt.

Die Auseinandersetzung mit den Juden, die immer lauter wurde, begann damit, dass der Papst vorigen Sommer den Pfarreien erlaubte, die Messe wieder nach altem lateinischen Ritus zu feiern. Als verbindliche Grundlage schrieb er das vorkonziliare Messbuch von 1962 vor. Es spricht von "Verblendung" der Juden und von der Finsternis, der sie entrissen werden sollen.

Das ist ein Rückfall in den längst überwunden geglaubten Antijudaismus. Und es ist auch ein klarer Rückschritt gegenüber dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965), das in seiner Erklärung "Nostra Aetate" hochoffiziell dem kirchlichen Antijudaismus und allen judenmissionarischen Absichten abschwor.

Je länger Benedikt XVI. im Amt ist, desto klarer wird: Er will das Christentum als die einzig wahre, vernünftige Religion und Lebensweise vertreten. Es ist kein Zufall, dass sich die katholische Kirche in Wahlkämpfe in Italien und Spanien einmischt.

Sein Missionierungsbestreben gleicht einem Kreuzzug und ist von einer eurozentristischen Perspektive geprägt: Als er vergangenen Mai in Brasilien meinte, die indigenen Völker Lateinamerikas hätten das Christentum "still herbeigesehnt", und ihre Leiden in der Conquista wären durch religiösen Gewinn aufgewogen worden, hagelte es zu Recht Proteste. Seine scharfe Absage an die Befreiungstheologie durch seine Kritik am in El Salvador tätigen Jesuitenpater Jon Sobrino stößt viele Gläubige in einer Region wie Lateinamerika vor den Kopf, wo evangelikale Prediger Stadien mit Heilsversprechungen füllen.

Mit dieser Form von Missionierung erreicht Papst Benedikt XVI. das Gegenteil, er schadet dem ökumenischen Dialog nachhaltig und bringt die katholische Kirche zurück auf vorkonziliaren Kurs. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 22.3.2008)