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Immobilienmakler in Kalifornien, Nevada und Florida organisieren bereits "vulture tours" - Busfahrten zu Zwangsversteigerungen für Schnäppchenjäger.

Foto: Reuters
Im US-Kongress basteln Abgeordnete an einem Plan, der eine Welle von Zwangsversteigerungen bei den Wohnimmobilien abwenden soll. Derweil verlottern wegen der Subprime-Krise ganze Stadtteile, und Obdachlose ziehen in verlassene Häusern ein.

Das hellgrüne Haus mit dem weißen Zaun im kalifornischen Modesto verkörperte vor kurzem noch den amerikanischen Traum. Nun wuchert dürres Gras im Vorgarten, das "For Sale"-Schild lehnt kopfüber an der aufgebrochenen Eingangstür. Im Inneren: Bierflaschen, Fastfood-Überreste und der Geruch von Urin.

Zwangsversteigerungen

Das Haus ist ein trauriges Überbleibsel aus den Tagen des amerikanischen Immobilienbooms, als extrem niedrige Zinsen aus Mietern mit schlechter Bonität Hausbesitzer machten. Als die Gier von Hypothekenmaklern, Banken und Wall Street aus dem Ruder lief. Und als Immobilien wie Aktien zu Spekulationsobjekten wurden.

Nun ist die Empörung groß. Denn nicht nur drohen landauf, landab Zwangsversteigerungen. Die verlassenen und oft nicht einmal bezugsfertigen Häuser werden zunehmend zum Problem für die Kommunen. Vandalen zerschlagen Fenster, treten Türen ein und zerstören die Installationen. Skrupellose Gauner reißen Kupferleitungen aus den Wänden und verhökern sie samt Kücheneinrichtungen und Badezimmern. Ungebetene Gäste lassen sich nächtens in den Häusern nieder, kochen Drogen. Obdachlose erfreuen sich eines sicheren Plätzchens, da oft noch Wasser und Strom funktionieren.

"Viele sehen die Kreditkrise als Chance, eine günstige Bleibe zu finden", sagt Bert Lippert sarkastisch. Modesto profitierte wie so viele Städte in Kalifornien kurzfristig vom Immobilienboom. Die Hauspreise explodierten, die Einwohnerzahl schnellte auf 200.000, und der Ort wurde zur Schlafstadt für die San Francisco Bay Area. Nun liegen jedoch ganze Neubauviertel brach, verlassen von den Baugesellschaften, als diesen das Geld ausging.

Städte wollen Banken klagen

Betroffen sind nicht nur die Nachbarn, die den Wert ihrer Häuser verfallen sehen. Auch die Kommunen leiden, die sich an die sprudelnden Einnahmen durch Grundstückssteuern gewöhnt haben. Denn in den USA richten sich diese nach dem Immobilienwert.

Schon denken Städte darüber nach, die Kreditinstitute zu klagen. Denn diese hätten gewusst, dass die Schuldner langfristig nicht in der Lage sein würden, die höheren Anschlusszinsen zu zahlen.

Derweil machen sogenannte "vulture tours" - Aasgeiertouren - von sich reden. Immobilienmakler in Kalifornien, Florida und Nevada, wo die meisten Zwangsversteigerungen stattfinden, organisieren Busfahrten für Schnäppchenjäger.

An der Ostküste das gleiche Bild. In Cleveland, Ohio, gehen dem lokalen Obdachlosenheim die Kunden verlustig. Brian Davis schätzt, dass manch einer in einem der 15.000 leerstehenden Häuser Unterschlupf gefunden hat. Neue, bezugsfertige Häuser offerieren die besten Schlafplätze, stellt Davis fest. Die Polizei sei machtlos, sie könne nur die Türen vernageln. "Es ist ein 'Verbrechen' ohne Opfer."

Gesetz soll helfen

Im Nordosten machen vor allem geborstene Leitungen den Behörden zu schaffen. Städtische Angestellte sind inzwischen mehr damit beschäftigt, vakante Häuser in Augenschein zu nehmen, als Baugenehmigungen abzusegnen. In einem Haus flossen 800.000 Liter Wasser aus. Wer die Wasserrechnung zahlt, bleibt ungeklärt. Ein Haus, das für 700.000 Dollar verkauft worden war, stand monatelang mit einem gefluteten Keller leer. Es wurde schließlich für 280.000 Dollar versteigert.

"Das ist ein amerikanischer Albtraum", sagt der demokratische Abgeordnete Keith Ellison aus Minnesota. Seine Kollegen im Kongress basteln an einem Gesetz, das umgeschuldete Hypotheken im Volumen von 300 Mrd. Dollar mit Steuergeldern versichern will.

Kleine Lichtblick gibt es dennoch: Wohltätige Organisationen wie Habitat for Humanity erstehen und renovieren verlassene Häuser für unterprivilegierte Familien, für die der amerikanische Traum sonst nie Wirklichkeit werden würde. (Rita Neubauer aus Palo Alto, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23./24.3.2008)