Ansichtssache: Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien - Am Mittwoch bekamen die Zuschauer im Bawag-Prozess eines der ersten harten Kreuzverhöre der 84 bisherigen Verhandlungstage zu sehen. Doch bevor Staatsanwalt Georg Krakow Ex-Bankprüfer Robert Reiter mit seinen präzisen Fragen in die Zange nahm, war noch Ex-Vorstand Josef Schwarzecker dran.

Tags zuvor war vom Buch, das selbiger 1993 verfasst hatte ("Krisenmanagement mit Kennzahlen: mit Stufenplan zur Sanierung") die Rede gewesen, am Mittwoch lag es auf dem Richtertisch und sorgte für viel Fragestoff. Sukkus: Hat Schwarzecker seine Tipps, in denen es etwa um die "drastische" Bedeutung von Risikostreuung ging, selbst angewandt? Er meinte Ja, zumal Wolfgang Flöttl nach dem Verlust 1998 versprochen habe, die nächsten Investments "mit wenig Risiko" zu tätigen.

Bootfahren mit Kippeffekt

Schwarzecker: "An sich ist Bootfahren nicht risikoreich, aber wenn sich alle auf eine Seite setzen, kippt das Boot." Dass die Geschäfte kippten, sei an Flöttl gelegen, weil "den Auftrag, dass er alles auf eine Karte setzt, gab es nicht". Im Übrigen beklagte der 55-Jährige die Erinnerungspolitik seiner Kollegen, die sich im Gegensatz zu ihm "an gar nichts mehr erinnern können, obwohl sie nicht wesentlich älter sind als ich".

Hart an die Sache ging es, als Richterin Claudia Bandion-Ortner Reiter zu den Vorschriften für Abschlussprüfungen befragte, die Reiter als Funktionär der Wirtschaftstreuhänder selbst miterarbeitet hatte (er war Präsident des Instituts Österreichischer Wirtschaftsprüfer). Er habe "keine Bedenken über die Qualifikation der Geschäftsführung" gehabt, dass die Innenrevision die Karibikgeschäfte ab 1998 nicht geprüft habe, sei dem "Prüfungsteam nicht besonders aufgefallen". Der Staatsanwalt konzentrierte sich darauf, ob Reiter bei den Krediten, die die Bawag ab 1998 an liechtensteinische Stiftungen vergab, seine Kontrollpflichten erfüllte. Es ging um 639 Mio. Dollar; nach Konsum, Atomic und Steyrermühl das größte Bawag-Engagement.

Was Krakow vorrechnete: Ein Kredit von 530 Mio. Dollar hätte aus einer Anleihe von 126 Mio. bedient werden müssen; allein für die Zinsen hätte es 21 Prozent Ertrag gebraucht. Reiter ging nicht auf Details ein, betonte aber, dass sich Wirtschaftsprüfer auf die Informationen des Vorstands verlassen dürfen. "Ist das eine Prüfungshandlung?", wollte Krakow wissen, um zu hören: "Das ist der Beginn einer Prüfungshandlung." Reiter auf die Frage, ob er den Kredit je einer Vollprüfung unterzogen habe: "Ich habe mir den Kredit nachweislich angesehen. Mit dem Wissen von heute hätte ich vielleicht eine andere Prüfungshandlung gemacht."

Danach brach der seit langem schwelende Konflikt über die Befragung von Gutachter Fritz Kleiner offen aus. Allein Elsners Anwalt, Wolfgang Schubert, hat an die 800 Fragen an ihn. Die Prozedur geht so: Die Fragen werden vorgelesen, protokolliert, die Richterin entscheidet über ihre Zulassung, Tage später trägt der Gutachter seine schriftlichen Antworten vor. So will die Richterin Nichtigkeitsgründe, die eine Wiederholung des Verfahrens bewirken, vermeiden, zudem wolle man verhindern, dass Kleiner "Fallen gestellt werden", wie sie erklärte.

Am Mittwoch stellte Schubert nun aber den Antrag auf mündliche Befragung mit sofortiger Beantwortung, alles andere widerspreche den Verfahrensgrundsätzen. Der Staatsanwalt sprach sich gegen Schuberts Vorschlag aus ("Dient der Verzögerung und Ausschweifung"), das Gericht lehnte den Antrag ab.

Der Anwalt von Ex-Bawag-Präsident Günter Weninger, Richard Soyer (Professor für Strafprozessrecht) und Büttner-Anwalt Erich Müller schlossen sich dem Staatsanwalt an. Soyer: "Kollege Schubert stellt Fragen, die man nicht ad hoc beantworten kann. So entsteht ein richtiges Durcheinander, dieses Vorgehen ist nur dazu geeignet, Sand zu streuen." (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.03.2008)