Wien - Für die Große Koalition mag es ein "Neustart" werden - eine jahrzehntealte Tradition steht aber vor dem Aus: Das von Bruno Kreisky erfundene Pressefoyer nach dem Ministerrat gehört der Vergangenheit an. Künftig wird die Regierung schon vor der Regierungssitzung verkünden, was nachher beschlossen wird. Auftreten werden dabei entweder Kanzler und Vizekanzler oder die zuständigen Ressortminister, heißt es im Kanzleramt. Angenehmer Nebeneffekt: Der Auftritt in den quotenstarken Mittagsnachrichten ist der Regierungsspitze mit dem früheren Termin künftig sicher.

30 Jahre alte Tradition

Das Pressefoyer nach dem Ministerrat ist ein über 30 Jahre altes Ritual. Erfunden von Bruno Kreisky diente der Auftritt stets der Selbstinszenierung des Kanzlers und sagte einiges über sein Selbstverständnis aus: Bruno Kreisky präsentierte sich - ganz Sonnenkönig - umringt von Journalisten. Als erster Bundeskanzler erkannte er die Chance der Medieninszenierung und empfing ab 1971 die Journalisten im Ecksalon des Kanzleramts. Höfliche Fragen ließ er sich gefallen, vorlaute Medienleute wurden abgekanzelt. Legendär sein Sager im Frühjahr 1981: "Lernen Sie ein bisschen Geschichte, dann werden Sie sehen, Herr Reporter, wie das in Österreich sich damals im Parlament entwickelt hat."

Fred Sinowatz schätzte die Nähe der Medien weniger - er ging auf Distanz und legte sein Foyer am Tisch im kleinen Ministerratssaal als formelle Pressekonferenz an. Franz Vranitzky setzte ab 1986 wieder auf das Kreisky'sche "Stehfoyer" - auch wenn ihm die Nähe der Medienvertreter und vor allem ihre Fragen mitunter hörbar auf die Nerven gingen. Als er 1995 einen mit Fragen zum Sparpaket nervenden ORF-Journalisten unwirsch in die Schranken wies ("Ich akzeptiere Ihre Frage nicht"), berichteten Medien, es sei für ORF-Journalisten an sich üblich, derartige Fragen vorher mit dem Kanzler-Sprecher abzuklären.

Auch Vranitzkys Nachfolger Viktor Klima setzte Anfangs auf das "Stehfoyer", bereitete dem Kreisky'schen Ritual - beraten von seinen berüchtigten "Spin-Doktoren" - aber 1998 ein Ende. Gefragt war ab nun die vermeintlich perfekte Fernseh-Inszenierung: Klima verlegte seinen Auftritt in den Kongresssaal des Kanzleramts und baute sich fortan hinter einem Stehpult auf - eine rote Kordel sorgte für Distanz zu Journalisten und Kameras. Eine Wahlniederlage später war Viktor Klima Geschichte - das Stehpult überlebte.

Im Februar 2000 brachte die schwarz-blaue Koalition ein Novum: Kanzler und Vizekanzler traten erstmals gemeinsam auf - zuvor hatten sich die Koalitionspartner mit eigenen Pressekonferenzen vor oder nach dem Kanzler bescheiden müssen. ÖVP und FPÖ wollten mit dem "Doppelfoyer" einerseits den "Schulterschluss" gegen die EU-Sanktionen symbolisieren, andererseits die neue Harmonie nach dem großkoalitionären Gezänk. Hängte der Haussagen einmal schief, musste das Pressefoyer trotzdem als Gradmesser fürs Koalitionsklima herhalten - etwa als FP-Vizekanzler Herbert Haupt im September 2003 seine Auftritte ins Vizekanzleramt verlegte, um sich und seiner Partei mehr eigenes Profil zu verleihen.

Auch die im Vorjahr angelobte Große Koalition behielt diese Tradition bei und übte sich im Doppelfoyer mit zwischenzeitlichem Liebesentzug: Kanzler Alfred Gusenbauer und sein Vize Wilhelm Molterer traten anfangs gemeinsam vor die Medien. Als Ende Februar dann der Steuerreform-Streit eskalierte, bestand Gusenbauer auf getrennten Auftritten nach der Regierungssitzung. Schon vorher war zu hören gewesen, dass das gemeinsame Pressefoyer im Kanzleramt nicht gerade heiß geliebt wurde und dass man Gusenbauer seinem Vorbild Kreisky folgend lieber alleine vor die Medien geschickt hätte.

"Präsentation der Tagesordnung"

Doch damit soll nun Schluss sein, die Koalition hat sich am Dienstag wieder den gemeinsamen Auftritt verordnet. Die "Präsentation der Tagesordnung" soll nun aber schon vor dem Ministerrat stattfinden. Angenehmer Nebeneffekt: Allfällige Konflikte müssen schon im Vorfeld ausgeräumt werden, Berichte über Streit in der Regierungssitzung sollen also der Vergangenheit angehören. Auch der Auftritt in den quotenstarken Mittagsnachrichten dürfte Kanzler und Vizekanzler mit dem früheren Termin künftig sicher sein. Und was die Beantwortung der Fragen angeht, gilt wohl weiterhin, was Wolfgang Schüssel einst als Motto ausgegeben hat: "Egal, was sie mich fragen, ich sage das, was ich mir vorgenommen habe zu sagen." (APA)