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Botschafter der Leidenschaft.

Foto: Reuters/Zolles

Wien - Henk Timmer hatte erst einmal die meisten Ballkontakte. Das Außergewöhnliche daran: der Mann ist Torhüter. Die Niederländer bezogen ihren Schlussmann häufig ins Spiel ein - es blieb ihnen oftmals nichts anderes übrig. Denn Österreichs Nationalteam stand auf dem Feld des Happel-Stadions gut postiert und es hinderte den Gegner früh an der Entfaltung.

Man gab sozusagen Deutschland revisited. Josef Hickersberger hatte doch Martin Harnik als zweite Offensivkraft neben Roland Linz aufgeboten, das hatte vor eineinhalb Monaten gut funktioniert und auch diesmal starteten beide mit Verve und Selbstvertrauen. In der Defensive stand diesmal allerdings eine Viererkette bereit, um dem gefürchteten Flügelspiel des Gegners zu begegnen. Das gelang erst einmal zur Zufriedenheit, wenn auch Ronald Gercaliu auf der linken Seite Robin van Persie (glücklicherweise ohne schlimmere Folgen) mehrmals aus den Augen verlor.

Doch waren die Niederländer eben auch häufig anderweitig beschäftigt, denn die Österreicher schalteten weich und flott nach vorne um. In wenigen, meist steilen Zügen ging das, und es wurde rasch deutlich, dass die Abwehr-Formation nicht gerade das Prunkstück in der Maschinerie des Marco van Basten darstellt. Andreas Ivanschitz reichte eine Ballkontrolle im zweiten Versuch, um am beobachtenden Heitinga vorbeizuziehen und zur frühen Führung einzuschießen.

Timmer, der an diesem Abend weitermachte, wo weiland der Kollege Lehmann aufgehört hatte, schoss dabei seinen ersten Bock. Es war kaum zu glauben. Zögerliche Niederländer wurden vom aufgeweckten Nationalteam wiederholt in Verlegenheit gebracht, das diesmal auch noch ins Tor traf. Und zwar mit einer Effektivität, die Rapidsche Dimensionen anzunehmen begann: Zwei Corner segelten mitten hinein in eine desorientierte Hintermannschaft samt dramatisch fehlgehendem Ausflügler, zweimal wuchtete der bullige Sebastian Prödl Kopfbälle ins verwaiste Gehäuse. Fast jeder Versuch ein Treffer, das Spielglück war kein Fremder.

Recht rasch wurde deutlich, dass die Österreicher in einer Art 4-3-2-1 operierten, da Harnik brav mit De Cler, seinem Mann auf der linken niederländischen Flanke, mitging (was dem Bremer Reservisten konditionell viel abverlangte) und Linz alleine in vorderster Front verblieb. Doch schon vor dem 3:0, nach rund 25 Minuten etwa, zeigte sich in Form immer ausgedehnterer Ballstaffetten zunehmende niederländische Sicherheit. Das musste zu denken geben. Noch aber gelang es Österreich mit viel Lauf- und konzentrierter Deckungsarbeit, den eigenen Strafraum erfolgreich abzuschirmen. Hervorzuheben ist auch, dass Christian Fuchs sich im linken Mittelfeld anschickte, sein bisher vielleicht bestes Länderspiel zu absolvieren, ehe er nach der Pause wie die meisten seiner Kollegen von der Bildfläche zu verschwinden begann.

Der Druck der Niederländer wurde nun immer massiver, durch die Hereinnahme des routinierten Seedorf injizierte Van Basten seiner Mannschaft eine zusätzliche Dosis Spielwitz und Abgeklärtheit. Besonders letztere kam den Österreichern zunehmend abhanden. Kaum mehr konnte der Ball behauptet werden, der sich folglich zu weit über 60 Prozent im Besitz des Gegners befand. Es zeigte sich, dass die Mannschaft zu gelegentlichem Rhythmuswechsel nicht fähig ist. Wie aus vielen Partien der Bundesliga nur allzugut bekannt, prägten Hast, Hektik und ein starrer Blick nach vorne den Ansatz der Österreicher - statt im Bewusstsein der Führung auch einmal gemütlich den simplen Pass zu schieben.

Es gelang keine Entlastung mehr. Die Niederländer konnten es sich leisten ihre Vierkette aufzulösen und den immer weiter zurückgedrängten Österreichern mit zeitweise vier Stürmern zuzusetzen. Timmer sah schon lange keine Haut mehr. Es zeigte sich weiters, dass auch eine nominell bei weitem nicht so glanzvoll wie manche ihrer Vorgängerinnen besetzte holländische Auswahl, was etwa Technik oder Raumaufteilung betrifft, deutlich überlegen war.

Insofern war es überraschend, wie lange die letzte Bastion der Hickersberger-Elf doch standhielt. Dass sie irgendwann fallen musste, schien unausweichlich. Bei den Treffern von Heitinga und Vennegoor of Hesselink patzte dann auch die bis dahin lobenswert agiert habende Innenverteidigung. Erst säbelte Prödel kraftvoll am Ball vorbei, dann gelang Emanuel Pogatetz eine bloß vorläufige Klärung in die Vertikale. Und Helge Payer stand abseits der Torlinie wieder einmal neben sich.

Schlussendlich machten sich erneut physische Verfallserscheinungen bemerkbar. Ein Alarmzeichen, trotz der fordernden Spielanlage der ersten Halbzeit. Im Vergleich zum Deutschland-Spiel waren die Aussichten jedoch trotzdem ungleich besser, diesmal die Mühen der Ebene zu meistern und einen Erfolg über die Zeit zu bringen - verlieh doch der Rückenwind eines idealen Spielverlaufs Schubkraft. Und nicht zu vergessen: Man hatte Vorsprung! Allein, auch das sollte nicht reichen. (Michael Robausch - derStandard.at, 26.3. 2008)