Neben einer "echten Vermögenssteuer" für die "reichsten zehn Prozent Österreichs" fordert sie auch, dass die in Österreich 2005 eingeführte Gruppenbesteuerung bei der Unternehmensbesteuerung wieder eingeschränkt wird: "Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit dafür, dass man beispielsweise als globaler Konzern die Verluste von Kasachstan oder von Nigeria mit den Gewinnen in Österreich gegenrechnen kann."
Mit Pirklbauer sprach Martin Putschögl.
derStandard.at: Am Dienstag hat die Regierung die Einführung einer Vermögenszuwachssteuer grundsätzlich beschlossen, die Details sind noch offen. Welchen Steuersatz würden Sie sich wünschen?
Sybille Pirklbauer: Wir von Attac fordern, dass Arbeitseinkommen und Kapitaleinkommen gleich behandelt werden. Da zählen Vermögenszuwächse dazu, aber auch Zinsen und Dividenden. Und das heißt eine progressive Besteuerung unter der Einkommenssteuer. Also kein fixer Steuersatz, wie das jetzt beispielsweise bei der KeSt mit 25 Prozent der Fall ist, sondern wirklich je nach gesamter Einkommenshöhe ein progressiver Steuersatz, der je nach Ertrag ansteigt.
derStandard.at: Wären die 25 Prozent dann für Sie der Mindeststeuersatz?
Pirklbauer: Derzeit haben wir mit diesen 25 Prozent sozusagen eine "Flat Tax", einen einheitlichen Steuersatz bei der Besteuerung von Kapitalerträgen. Unsere Kritik ist, dass man bei geringem Kapital – also die oft zitierte Oma mit dem Sparbuch – in Wahrheit zuviel Steuern bezahlt. Diese Oma hat vielleicht nur eine Mindestpension, und das bisschen Zinsen wäre dann in Wahrheit steuerfrei, wenn das nach dem Einkommenssteuerrecht besteuert würde. Die könnte sich das zurückholen, aber genau diese Leute wissen das dann eben nicht. Also zahlen sie's einfach. Und um diese Leute geht's im Kern. Bei den wirklich großen Kapitaleinkommen sind hingegen 25 Prozent viel zu wenig im Vergleich zum Spitzensteuersatz von 50 Prozent bei der Einkommensteuer einerseits, aber auch dahin betrachtet, dass Kapitalerträge schlicht und einfach zur sozialen Sicherung nichts beitragen. Und bei kleineren Einkommen gilt, sobald sie in die Steuer reinkommen, auch gleich ein Steuersatz von über 38 Prozent. Da sind die 25 Prozent im Vergleich wieder sehr günstig. Deshalb unsere Forderung, hier den Steuersatz abzustufen.
derStandard.at: Sie fordern nun auch eine "echte Vermögenssteuer" von einem Prozent für die "reichsten zehn Prozent Österreichs". Gestritten wurde bisher in der Steuerreform-Diskussion fast ausschließlich über den Zeitpunkt, nämlich ob sie 2009 oder 2010 kommt. Vermissen Sie die Inhalte?
Pirklbauer (lacht): Ja, die vermisst man schon sehr. Aber das ist ein positiver Aspekt der nun erzielten Einigung – auch wenn die Details noch sehr offen sind -, dass jetzt schon einmal endlich über konkrete Maßnahmen diskutiert wird. Und die grundsätzliche Stoßrichtung, dass die unteren Einkommen entlastet und auf der anderen Seite Vermögenszuwächse besteuert werden, ist total positiv. Das sind aber nur kleine Trippelschrittchen. Wir brauchen nämlich eine massive Strukturreform, in deren Rahmen Arbeit wirklich substanziell entlastet und Vermögen substanziell belastet wird. Das ist im Übrigen auch, was die OECD sagt - diese Kritik kommt also nicht nur von Attac, sondern etwa auch von ganz anderer Richtung.
derStandard.at: Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner hat unlängst mit der Idee aufhorchen lassen, einen Spitzensteuersatz von 80 Prozent für "absurd hohe" Managergehälter einzuführen. Was sagen Sie dazu?
Pirklbauer: Dem Punkt haben wir schon viel abgewinnen können, aber wir sagen auch: Man muss innerhalb der Spitzeneinkommen noch einmal differenzieren. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ich 50.000 Euro Jahreseinkommen, 500.000 oder gar fünf Millionen Euro an Jahreseinkommen habe. Deshalb ist unser Vorschlag moderater: 60 Prozent Steuer ab dem zehnfachen des Mindestlohns - das wären im Augenblick 140.000 Euro brutto. Das hätte den Charme, dass man sagt: Wenn man die unteren Einkommen anhebt, dann darf das oben auch ein bisschen ansteigen. Wichtig ist, dass die unteren nicht vergessen werden.
derStandard.at: Glauben Sie, dass die Realisierung einer "Tobin Tax", also einer Steuer auf internationale Finanztransaktionen, durch die derzeitige Finanzmarktkrise näher rückt?
Pirklbauer: Die Tobin Tax in der klassischen Form zielt auf Währungsspekulationen ab. Und die Verwerfungen, die derzeit bestehen, haben mit Währungen sehr wenig zu tun, sondern da geht's um die enorme Überbewertung der Immobilien und diese Kreditvergabe auf der anderen Seite. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Bereitschaft, hier hineinzudringen, schon gestiegen ist - bis vor kurzem wurde eine solche Steuer noch gänzlich abgelehnt. Aber hier ist mehr notwendig. Allein Hedgefonds wären beispielsweise dadurch einmal dazu zu bringen, offenzulegen, wie ihre Eigentümerstruktur aussieht, welche Kredite sie aufnehmen usw. Aber aus unserer Sicht braucht es da eine Vielzahl an Maßnahmen: Eine Regulierung der Akteure und der Produkte, und so eine Art öffentliches Zulassungs- und Zertifizierungssystem. Und da ist die Tobin Tax ein wichtiger Mosaikstein, der erfreulicherweise auch noch Einnahmen bringt. Sie müsste aber Bestandteil eines Gesamtpakets sein, alleine lösen kann sie die Probleme nicht.
Im Übrigen sind wir dafür, dass die Einnahmen aus der Tobin Tax nur für Entwicklungshilfe eingesetzt werden, und nicht in die nationalen Haushalte fließen, oder ins EU-Budget, wie das oft diskutiert wird. Aber prinzipiell wären Schritte in diese Richtung natürlich positiv zu bewerten.
derStandard.at: Wie ist Attac eigentlich aufgestellt, international? Welchen Einfluss kann Attac auf die EU ausüben?
Pirklbauer: Wir sind mit Attac-Gruppen in andern Ländern gut vernetzt, außerdem gibt's das so genannte Tax Justice Network, also Steuergerechtigkeitsnetzwerk, mit Sitz in London. Das ist aus einer Kooperation von Attacs aus verschiedenen Ländern hervorgegangen und versucht, Maßnahmen auf transnationaler Ebene zu bewirken. Ganz oben auf der Agenda ist da beispielsweise der Kampf gegen Steueroasen, die international massiven Schaden anrichten. Auch in Österreich ist das ja gerade ein großes Thema. Das andere ist, dass die Vermögensbesteuerung in Österreich so niedrig ist wie in keinem anderen Industrieland. Das ist eine Sondersituation, die man gesondert betrachten und bewerten muss, und wo es Handlungsbedarf und auch Spielraum dafür gibt.
derStandard.at: Diesen Spielraum gibt es bei der Unternehmensbesteuerung auf nationaler Ebene wohl nicht mehr…
Pirklbauer: Das wird immer schwieriger, hier ist in erster Linie die EU gefordert. Aus unserer Sicht gibt's trotzdem Spielräume, weil wir auch bei der Gewinnbesteuerung deutlich unter dem EU- und OECD-Schnitt liegen.
Bei der letzten Steuerreform 2005 ist die Gruppenbesteuerung eingeführt worden. Laut einem EuGH-Urteil müsste das nur EU-weit möglich sein. Es gibt also überhaupt keine Notwendigkeit dafür, dass man beispielsweise als globaler Konzern die Verluste von Kasachstan oder von Nigeria mit den Gewinnen in Österreich gegenrechnen kann. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, dass man sich legal der Steuerleistung entledigen kann. So was könnte man sofort ändern, ohne wirklich Schaden daraus zu erleiden.
derStandard.at: Zurück nach Österreich: Was halten Sie von Inflationsmaßnahmen wie dem "Gusi-Hunderter"?
Pirklbauer: Nicht wahnsinnig viel. Das Ansinnen, relativ schnell für Menschen mit geringem Einkommen etwas zu tun, ist grundsätzlich richtig. Aus unserer Sicht muss es aber schon etwas sein, was dauerhaft wirkt und nicht eine einmalige Maßnahme ist.
derStandard.at: Also weniger "Almosen", mehr Rechtsanspruch auf Steuerbegünstigung…