ModeratorIn: Lieber Herr Gradauer, danke dass Sie mit uns das Thema Steuerreform diskutieren, liebe UserInnen wir freuen uns auf spannende Fragen.

Alois Gradauer: Ich freue mich bei derStandard.at sein zu können und erwarte gerne die spannenden Fragen, speziell zu der jetzt aktuellen Thematik: Die Regierung arbeitet wieder. Ich möchte Sie herzlich begrüßen.

Lokus von Welt: Was kann sich der Mittelstand von der kommenden Steuerreform erhoffen? Gibt es dazu schon Gedanken oder steht in erster Linie die untere Einkommensschicht?

Alois Gradauer: Von der jetzigen Steuerreform - die in Wirklichkeit ja keine ist - kann sich der Mittelstand nichts erwarten, ausgenommen eine in Aussicht gestellte neue Steuer namens Vermögenszuwachssteuer.

Albert Kora: Wenn es ernst wird ist die FPÖ immer mit den Mächtigen und Reichen. Vermögenszuwachststeuer lehnen Sie z.B ab. Die Kleineren zahlen 25% bei Sparbuchzinsen, die Vermögenden gar nichts.

Alois Gradauer: Die FPÖ lehnt grundsätzlich neue Steuern ab und vertritt die Auffassung, dass zuerst alle Einsparungspotentiale zu nutzen sind die sich z.B. in der Verwaltungsreform, Staatsreform und Bürokratie verstecken. Die Reserven in diesen Bereichen liegen laut Experten bei ca. 3-4 Mrd. Euro jährlich. Leider ist die jetzige Regierung scheinbar nicht willens an diesen Problemkreis heranzugehen. Die in Aussicht genommene Vermögenszuwachssteuer wird nicht nur die Reichen und Mächtigen treffen sondern auch den Mittelstand, denn es ist heutzutage nicht außergewöhnlich, dass Mittelverdiener Wertpapiere und Aktien besitzen und damit handeln. Die Vermögenszuwachssteuer wird wenn sie tatsächlich eingeführt werden sollte auch den Mittelstand im KMU Bereich treffen, weil ja Abfertigungsrückstellungen meist in Wertpapieren angelegt sind und beim Verkauf mit Gewinn diese Steuer anfallen würde.

Aufreger: Wie schätzen sie die Effektivität der Steuern in Ö ein, vor allem im Vergleich mit Ländern wie der Schweiz oder Schweden, ein? Bekommen wie für die von uns bezahlten Steuern genügend Leistung zurück?

Alois Gradauer: Sie haben recht, dass wir für die hohen Steuern die Steuerzahler einbringen zu wenig Gegenleistungen erhalten, weil in der Verwaltung und Bürokratie zu viele Mittel verschwendet werden.

UserInnenfrage per Mail: Mit welcher Partei könnten Sie besser Ihre eigenen Pläne in Sachen Steuerreform umsetzen, und wieso?

Alois Gradauer: Diese Frage stellt sich derzeit nicht, weil es eine Regierung aus SPÖ und ÖVP gibt und die von uns angehalten wird endlich zu sparen und Steuermittel effizient und sparsam einzusetzen. Sie müssen wissen, dass der Staat Österreich derzeit 190 Mrd. Euro Schulden hat, wofür wir fast 9 Mrd. Euro Zinsen jährlich bezahlen, es ist daher das Gebot der Stunde endlich mal keine Defizite zu planen, weil nur über Ergebnisse eine Steuerreform ohne Gegenfinanzierung möglich ist.

Paul Schweisser: Lauern Sie auf das Zerbrechen der Koalition? Und mit welchen Steuerreformmaßnahmen würden Sie dann vorpreschen?

Alois Gradauer: Sehr geehrter Herr Schweisser! Wir lauern sicher nicht auf ein Zerbrechen der Koalition, sondern hoffen sehr, dass die Koalition jetzt endlich zu arbeiten beginnt und im Sinne der Interessen der Bevölkerung tätig wird. Wir schlagen vor, dass der Mittelstand durch eine Steuerreform entlastet wird, weil in diesen Bereichen jetzt 10 Jahre nichts geschehen ist und dieser Mittelstand eigentlich 80% der Steuermittel in Österreich aufbringt. Außerdem sind wir fest der Meinung, dass die Familien begünstigt werden müssen, deshalb schlagen wir das sog. Familiensplitting-Modell ähnlich Frankreich vor. Die Steuerreform soll nicht nur die steuerliche Seite berücksichtigen, sondern auch den Bereich Gesundheitswesen längerfristig absichern und auch sonstige Steuermaßnahmen beinhalten die schon längst der Erledigung harren, wie z.B. Bekämpfung der Schwarzarbeit wo durch ein vernünftiges Steuermodell, z.B. das finnische Modell der Schwarzarbeit auf 50% gesenkt werden könnte womit der Staat Einnahmen von 2 Mrd. Euro zusätzlich lukrieren könnte.

UserInnenfrage per Mail: Die kalte Progression gehört abgeschafft! Machen Sie das, dann wähle ich Sie!

Alois Gradauer: Die FPÖ wird sich bemühen auch das Thema kalte Progression im Sinne der Steuerzahler zu beseitigen, d.h. dass eine jährliche Inflationsanpassung der Steuersätze erfolgt.

excel rose: Was halten Sie von der Attac-Idee, 60 Prozent Spitzensteuersatz ab dem zehnfachen des Mindestlohns (140.000 Euro)?

Alois Gradauer: Das ist als Einzelfrage so nicht zu beantworten. Ich denke man muss überhaupt die Steuersätze breiter fächern und z.B. den Höchststeuersatz um 50% erst ab 75 000 Euro Jahreseinkommen zum Ansatz bringen. Von einem 60%igen Spitzensteuersatz halten wir nichts.

Martin Putz #1: Was sagen Sie zur Debatte um Steueroasen in Europa?

Alois Gradauer: Grundsätzlich finde ich, dass es positiv ist, dass darüber gesprochen wird. Wenn auch die Umstände wie es dazu kam eher skurril sind. Ich glaube, dass jeder Staatsbürger verpflichtet ist seine Steuern wie im Gesetz vorgesehen entrichtet werden und es sich einige, weil sie betucht sind, nicht richten können sollten.

UserInnenfrage per Mail: Der Zeitpunkt der Steuerreform scheint ja nun fixiert zu sein, ist Ihnen 2010 Recht? Und wer hat sich durchgesetzt: SPÖ oder ÖVP?

Alois Gradauer: FPÖ vertritt die Meinung, dass die Steuerreform sofort durchgeführt werden sollte, weil besonders der Mittelstand und die KMU längst zu Steuerermäßigungen kommen sollten, außerdem ist die Wirtschaftslage derzeit ausgezeichnet, wir könnten uns die Steuerreform zum jetzigen Zeitpunkt leisten. Sie würde zudem der Preisentwicklung für Artikel des täglichen Lebens bzw. der Mineralölprodukte entgegen wirken und den Konsum mit Artikel des täglichen Bedarfes anfachen wodurch der Staat wieder zu mehr Steuereinnahmen könnte, demnach eine win-win-Situation. Zur zweiten Frage: Die SPÖ ist wieder einmal umgefallen. Schade.

Manfred Bieder: Beim Thema Steuerreform hält sich FP-Chef Strache ziemlich zurück. Kennt er sich in der Causa nicht so genau aus, oder was ist der Grund?

Alois Gradauer: Sehr geehrter Herr Bieder! Da sind Sie leider nicht richtig informiert. Es gibt laufend Pressekonferenzen und Presseaussendungen betreffend der Steuerreform, leider werden nicht alle Pressemeldungen auch durch die Medien veröffentlicht. Es war z.B. vorgesehen am Tage der Entscheidung Gelder der Arbeitslosenversicherung für eine Entlastung der Kleinstverdiener einzusetzen, ein Runder Tisch im Fernsehen geplant wobei HC Strache als Teilnehmer vorgesehen war, kurzfristig vom ORF abgesagt.

Paul Schweisser: Steuerpolitik wird zunehmend in Brüssel gemacht, dort ist die FPÖ aber ziemlich isoliert. Was können Sie da überhaupt tun?

Alois Gradauer: Gott sei Dank ist es in der Steuerfrage so, dass zum Großteil die Entscheidung darüber im österreichischen Parlament liegt nicht in Brüssel, das soll aus Sicht der FPÖ auch so bleiben. Die EU bemüht sich täglich die 27 Nationalstaaten = EU-Mitglieder unter die Fittiche zu bekommen, der entscheidende Beweis ist der EU-Reformvertrag von Lissabon, der ohne Volksabstimmung durch die nationalen Parlamente ratifiziert werden sollte und vom Grundsatz her beabsichtigt in Österreich noch mehr Einfluss zu bekommen. Wir fordern daher eine Volksabstimmung in der Frage des EU-Reformvertrages und ich lade Sie ein zu unterschreiben.

bzoe.org - Die Spaßpartei: Veit Schalle vom BZÖ wusste gestern keine echte Antwort - Was halten Sie von der Tobin-Tax

Alois Gradauer: Die Tobinsteuer gibt es in der Diskussion schon lange. Sie wird allerdings aus meiner Einschätzung nicht kommen, weil die großen Player im Bereich Börse und Wirtschaft wie z.B. die USA dafür nicht zu gewinnen sind.

Johnny der Depp: Wären Sie für eine Koalition mit der SPÖ?

Alois Gradauer: Die freiheitliche Partei ist eine demokratische Partei und ist für Gespräche mit allen anderen im Nationalrat vertretenen Parteien immer offen.

UserInnenfrage per Mail: Alle wollen dem "Mittelstand" helfen. Wer ist denn das überhaupt für Sie, und wie konkret sähen denn da Ihre Maßnahmen aus?

Alois Gradauer: Der Mittelstand sind einmal die Mittelverdiener, Einkommen von 1 500 - 4 500 Euro im Monat sowie alle kleinen und Mittelbetriebe von 0-50 Mitarbeiter. Das sind jene Gruppen die 80% des Steueraufkommens in Österreich erbringen und die jetzt durch die Vermögenszuwachssteuer neuerlich bedroht sind. Befreiung der Steuerzahler von der kalten Progression, Einführung des Familiensplittings um die Familie zu entlasten, Steuermodelle zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, Stichwort finnisches Modell, Berücksichtigung von haushaltsnahen Dienstleistungen als Sonderausgaben, z.B....

UserInnenfrage per Mail: Hat die FPÖ auch ein Strategiepapier für den Fall überraschender Neuwahlen in der Schublade?

Alois Gradauer: Die FPÖ ist immer vorbereitet auf derartige Überraschungen. Wir wissen, dass die Bevölkerung zu einem großen Teil unsere Politik begrüßt und fürchten uns vor keiner Wahlauseinandersetzung.

excel rose: Halten Sie die derzeitigen Regelungen bei der Unternehmensbesteuerung, Stichwort Gruppenbesteuerung, für gut?

Alois Gradauer: Diese Frage muss wirklich intensiv diskutiert werden. Die FPÖ glaubt, dass diese Gruppenbesteuerung verbesserungswürdig ist. Sie hat in der Vergangenheit den Großfirmen Vorteile gebracht, weil Verluste in z.B. Auslandsengagements gegen gerechnet werden konnte. Dem österreichischen Arbeitsmarkt hat es aber nichts gebracht.

Realist21: Sehr geehrter Herr Gradauer! Ich schätze die Politik der FPÖ großteils. Warum sind jedoch manche Mitglieder, wie zum Beispiel in Graz, so dumm und stellen die FPÖ mit ihren rassistischen öffentlichen Auftritten schlecht dar, so dass die FPÖ nie auss

Alois Gradauer: Sie sprechen den Sager von Frau Winter an, den ich in keinster Weise unterstütze. Das war eine persönliche Meinung von Frau Winter und nicht Parteilinie. Die Äußerungen waren nicht notwendig. Andererseits jedoch ist eines der größten Probleme Österreichs ist die überzogene Zuwanderung, die nur deshalb möglich ist, weil die sozialen und gesetzlichen Bedingungen in Österreich für Zuwanderer besser als sonst wo sind und auf Sicht in dieser Größenordnung für Österreich nicht mehr finanziert werden. Die Zuwanderungsproblematik verursacht uns große Schwierigkeiten im Bildungsbereich, in der Gesundheitspolitik, im Asylwesen und in der Sicherheit.

Alexander Fleischmann #1: Von der FPÖ wird ja ernsthaft ein Austritt aus der EU in Erwägung gezogen. Das ist freilich ein Reizthema mit dem sich gut Publicity machen lässt. Nehmen wir an, das wäre theoretisch möglich. Wer sollte denn für die daraus resultierenden Kosten aufk

Alois Gradauer: Die freiheitliche Partei war die erste Europapartei in Österreich, lange bevor die anderen draufgekommen sind, dass es Europainteressen geben wird haben wir uns für ein vereintes Europa eingesetzt. Für ein Europa der Vaterländer, ein Europa das den Mitgliedsstaaten nicht die Identität raubt sondern diese unterstützt. Die Kultur und die Sprachen erhalten bleiben und die Zusammenarbeit in erster Linie auf wirtschaftlichen Gebiet stattfinden. Leider ist es in der letzten Zeit anders gekommen, die Bürokraten Brüssels versuchen durch den EU-Reformvertrag alle Macht in die Zentrale zu bekommen und die Mitgliedsstaaten zu entmündigen. Sollte es in dieser Tonart weitergehen wäre tatsächlich ein Austritt aus der EU überlegenswert.

UserInnenfrage per Mail: Wieso hat Ihre Partei in punkto Erbschaftssteuer die ÖVP-Linie unterstützt - also die Abschaffung??

Alois Gradauer: Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wurde vom Gericht gekippt und nicht von der ÖVP. Wir sind froh darüber, dass sowohl Erbschafts- als auch Schenkungssteuer abgeschafft werden, weil diese Steuern in der Verwaltung irrsinnige Kosten aufwerfen und unterm Strich kaum was übrig bleibt. Außerdem werden hier Beträge und Werte nochmals besteuert, was aus Sicht der FPÖ ungerecht ist.

Thomas Schned: Wäre die FPÖ überhaupt in der Lage zu regieren?

Alois Gradauer: Ja.

UserInnenfrage per Mail: Wer sollte Ihrer Meinung nach bei einer Steuerreform BElastet werden?

Alois Gradauer: Eine Steuerreform sollte entlasten und nicht belasten.

excel rose: Die bedingungslose Grundsicherung, ein Thema für Sie?

Alois Gradauer: Bedingungslose Grundsicherung ist sicher keine gute Idee.

Manfred Bieder: Der „kleine Mann“ ist ja auch durch die geplante Abschaffung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen bedacht worden. Zufrieden mit dieser Entscheidung?

Alois Gradauer: Die Bezieher vom Einkommen bis 1 350 Euro monatlich erhalten eine Begünstigung im Bereich der Arbeitslosenversicherung, das macht laut den Vorstellungen von SP/VP-Koalition max. zwischen 13,50 und 30 Euro aus. Das ist für Kleinstbezieher sicher eine gute Entscheidung aber eine Steuerreform ist es nicht. Es wird der Arbeitslosenversicherungstopf angezapft, weil derzeit die Arbeitslosensituation es zulässt. Der Finanzminister gibt dafür keinen Cent her. Also wo bleibt die Steuerreform?

Johnny der Depp: Distanzieren Sie sich von Wahlsprüchen wie "Daham statt Islam"? Stellen Sie sich vor jemand würde plakatieren "Daham statt Judentum" - es sind beides Religionen! Was sagen Sie dazu?

Alois Gradauer: Die FPÖ steht hinter Religionsfreiheit. Es ist auch in der Verfassung als solches vorgesehen.

kick08.net: Wer wird Fußball-Europameister?

Alois Gradauer: Wünschenswert wäre Österreich, aber das wirds wohl nicht spielen. Ich tippe auf Italien.

ModeratorIn: Lieber Herr Gradauer, danke fürs Kommen, liebe UserInnen danke fürs Mitchatten, allen noch einen schönen Tag.

Alois Gradauer: Bedanke mich auch sehr herzlich bei der Redaktion von derStandard.at für diese interessante Chat-Stunde und bei den Usern für die qualitativ hoch stehenden Fragen.