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Am Mittwoch im Wiener Happel-Stadion lagen beide Teams auf dem Rasen. Die Niederländer, weil sie nur knapp gewannen. Die Österreicher, weil sie hoch geführt hatten.

Foto: APA/ Oczeret
Wien - Die Niederländer waren uneins. "Österreich hat eine gute Mentalität", sagte Klaas-Jan Huntelaar, der zu jener Sorte von Stürmern zählt, die ihr Aufgaben konsequent lösen und Tore schießen. Im Happel-Stadion zwei. Rafael van der Vaart sparte nicht mit Selbstkritik: "Wenn wir bei der EURO so auftreten, sind wir schnell wieder zuhause." Bondscoach Marco van Basten versicherte, er habe auch nach dem 0:3-Rückstand nie das Gefühl gehabt, "dass alles vorbei ist". Das Gegenteil konnte ihm nicht bewiesen werden.

Die niederländischen Zeitungen kommentierten das 4:3 streng, von einem "bizarren Duell" war die Schreibe (Allgemeen Dagblad). In De Volkskrant war zu lesen: "Peinlich. Die Mannschaft wurde von einem Gegner der C-Kategorie auf unerklärliche Weise lächerlich gemacht." Van Basten sagte noch, die Befindlichkeiten der Österreicher interessierten ihn nicht wirklich. "Aber der Heimvorteil wird ihnen helfen."

Josef Hickersberger lud am Tag danach zur Analyse, das gehört zu den Pflichten des Teamchefs. Eine Nacht später schaut die Welt mitunter anders aus, schließlich könnten ein paar Träume dazwischengepfuscht haben. "Meteorologisch gesehen war zuerst Sonnenschein, dann setzte das Gewitter ein." Auf den Fußball gemünzt: 3:0 geführt (Sonne), 3:4 verloren (Gewitter). Das ist einem österreichischen Nationalteam zuletzt 1958 passiert, die Niederlande hießen Jugoslawien. Hickersberger lehnt es prinzipiell ab, sich "mit der Steinzeit" zu beschäftigen.

Er sieht es gegenwärtig als seine Aufgabe, Positives zu betonen. Und er bezog das 0:3 gegen Deutschland mit ein. "Wie haben zweimal je 60 Minuten sehr gut gespielt. Gegen die Niederlande waren wir nicht in der Lage, den Vorsprung zu retten."

Der ÖFB wird bei der UEFA natürlich keinen Antrag stellen, die Spieldauer ab der EURO auf eine Stunde zu reduzieren. Dafür würde man nie und nimmer eine absolute Mehrheit bekommen. Um den Spaß in Grenzen zu halten, sagte Hickersberger im Ernst: "Uns ist gelungen, die Leute zu unterhalten. Auch das ist ein Fortschritt." Die penetranten Phasen der enervierenden Vorstellungen (0:2 Chile, 0:1 Venezuela, 0:0 Japan etc.) dürften überstanden sein.

Keine Pausen

Gibt eine Fußballmannschaft nach 60 Minuten den Geist auf, könnte das als Konditionschwäche abgetan werden. Hickersberger bleibt aber dabei: "Sie sind fit, sie laufen viel, das belegen die Daten. Es ist ein Problem der Ökonomie. Sie setzen ihre Kräfte nicht richtig ein, weder mental noch körperlich." Soll heißen: Schweiß wird sinnlos vergossen. Es gelingt zu selten, den Rhythmus zu wechseln, sich in Ballbesitz auszuruhen. "Mit dem Ball laufen ist weit schöner und lustiger als ohne." All das sei auch auf die Jugend der Mannschaft zurückzuführen, der Altersschnitt gegen die Niederlande betrug 23,4 Jahre. "Es bleibt der einzig richtige Weg. Wir müssen noch in Kauf nehmen, dass wir wie angeschlagene Boxer in den Seilen hängen und die Fäuste nicht mehr hochkriegen." Hickersberger befürchtet keine großen Folgeschäden. "Ich bin nicht beunruhigt." Ein 3:0-Vorsprung sei ja nicht eingeplant gewesen. "Man war vielleicht von der eigenen Effizienz in der Offensive zu überrascht."

Innenverteidiger Sebastian Prödl wird sich irgendwann über seine beiden Kopftore sogar freuen. Unmittelbar nach Abpfiff störte ihn eher der Patzer, der zum 2:3 geführt hatte. "Ich habe ein Luftloch geschlagen. Das darf nicht passieren, wir müssen die Fehler abstellen, um auf hohem Niveau bestehen zu können." Middlesbrough-Legionär Emanuel Pogatetz ortete sehr wohl körperliche Defizite: "Das ist ein Manko, jeder muss an der Fitness arbeiten."

Das Unterhaltungsprogramm wird fortgesetzt. Am 24. April wird ein erweiterter Kader nominiert, er umfasst 30 Kicker. Zur EURO dürfen 23. Hickersberger: "Da bin ich nicht zu beneiden, es wird Enttäuschte geben." Ab dem 7. Mai wird geschuftet, Trainingslager, Trainingslager, Trainingslager. Am 27. und am 30. Mai wird in Graz gegen Nigeria bzw. Malta getestet. Die EURO beginnt am 8. Juni gegen Kroatien. Alle Matches dauern zumindest 90 Minuten. (Christian Hackl, DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 28. März 2008)