Berlin/Frankfurt - Das blutige Kräftemessen zwischen der schiitisch dominierten irakischen Regierung von Premier Nuri al-Maliki und der schiitischen Miliz "Mahdi-Armee" (des radikalen Predigers Muktada al-Sadr in Basra ist am Freitag Gegenstand von Pressekommentaren:

"die tageszeitung" (taz) (Berlin):

"Die Gewalt ist im Irak zurückgegangen - doch diese relative Erfolgsstory gerät nun ernsthaft in Gefahr. Mit den Kämpfen in Basra und anderen Teilen des Landes steht der Waffenstillstand (der schiitischen Miliz 'Mahdi-Armee') vor dem Kollaps. De facto ist die Operation der regulären Armee, den Süden des Landes unter Kontrolle zu bringen, gegen die Mahdi-Milizen gerichtet. Noch hält Muktada al-Sadr an seinem Waffenstillstand fest, aber er hat bereits zu einer Kampagne des landesweiten zivilen Ungehorsams aufgerufen. (...) Dabei ist der Konflikt, der jetzt in großem Stile auszubrechen droht, nicht nur einer zwischen Regierung und 'Mahdi-Armee'. Es ist ein innerschiitischer Machtkampf zwischen dem immer stärker werdenden Sadr-Block und den staatlichen Institutionen, die von anderen schiitischen Parteien und Milizen unterwandert sind. Der irakische Staat ist alles andere als ein unparteiischer Spieler in diesem Machtkampf. Dabei ist nicht sicher, ob die Regierung diesen Machtkampf für sich gewinnen kann."

"Süddeutsche Zeitung" (München):

"Der Einfluss von Muktada al-Sadr scheint ungebrochen zu sein. Der schiitische Kleriker und Milizenführer ist eine der entscheidenden politischen Figuren im Irak. Mit den derzeitigen Kämpfen in Basra versuchen die Bagdader Regierung und das US-Militär, Sadrs Macht zu beschneiden und seine 'Mahdi-Armee' zu schwächen. Der Schiitenführer hat darauf taktisch versiert reagiert. Er hat in Gandhi-Manier zu landesweitem 'zivilem Ungehorsam' aufgerufen, und er lässt seine Kämpfer zugleich in wenig Gandhi-hafter Attitüde auf US-Truppen in Bagdad schießen. Zusammen mit anderen schiitischen Milizen kontrollieren Sadrs Kämpfer das Ölgeschäft in der Hafenstadt Basra im irakischen Süden. Die Offensive der Armee, die von der US-Luftwaffe unterstützt wird, richtet sich gegen alle dortigen Schiiten-Milizen. Erkennbar geht es aber vor allem um Sadrs militante Gefolgschaft."

"Berliner Zeitung":

"Jene Milizen, die den US-Truppen nach wie vor feindlich gegenüberstehen, sind weggetaucht, um ihre Kräfte zu schonen, um ihr Herrschaftsgebiet gegen Konkurrenten zu sichern und um sich ihren Geschäften zu widmen. Die Sadr-Miliz war darin so erfolgreich, dass die irakische Regierung die Armee losschickte: Sadr soll die Kontrolle über das Ölgeschäft in der Hafenstadt wieder entrissen werden. Die sogenannte Stabilisierung steht also auf fragilem Untergrund: Alle verfeindeten Parteien warten auf die US-Truppenreduzierung oder gar den Abzug, um übereinander herzufallen. Die Schiiten fürchten die Sunniten und umgekehrt. Die einen sind in der Mehrheit, die anderen aber straff organisiert und aus Saddam Husseins Zeiten herrschaftsbewusst. Die Kurden wollen die Ölprovinz Kirkuk und die Unabhängigkeit. Alle sind bestens mit Waffen versorgt und hochmotiviert. Es geht nicht um die Zukunft Iraks, sondern um ihren Anteil an diesem Land." (APA)