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"Gerade in der ÖVP würde es einiges bewegen, wenn sich schwule Politiker outen würden. Denn Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen macht es anderen leichter."

Foto: AP/HANS PUNZ
"Personen wie Klubobmann Schüssel wollen diesen Schritt ins 21. Jahrhundert nicht machen", deshalb sträube sich die ÖVP gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, sagt Ulrike Lunacek, Grüne Sprecherin für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen und TransGender-Personen. Der SPÖ drohe dadurch der nächste Umfaller, schließlich habe Gusenbauer im Wahlkampf versprochen die Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen. Davon sei man momentan aber weit entfernt: "Der Vorschlag von Justizministerium gilt nur für den Justizbereich. Es fehlen ganz zentrale Bereiche: Sozial- oder Pensionsabsicherung und im Fremdenrecht."

Im Interview mit derStandard.at spricht Lunacek außerdem über zu wenig Aufklärung über Lesben und Schwule in den Schulen und warum es gut wäre, wenn sich schwule ÖVP-Politiker outen würden. Die Fragen stellte Rosa Winkler-Hermaden.

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derStandard.at: Justizministerin Berger hat angekündigt, dass man sich noch vor dem Sommer auf ein Gesetz für die Gleichgeschlechtliche Partnerschaft einigen wird. Glauben Sie ihr?

Lunacek: Es gab schon so viele Versprechungen. Ich glaube das erst, wenn ich einen Regierungsvorschlag im Parlament zugeleitet bekomme. Es zieht sich schon so lange und die ÖVP weiß noch immer nicht, ob sie die Partnerschaften am Standesamt ermöglichen möchte, das ist lächerlich.

Der Justizministeriumsvorschlag gilt außerdem nur für den Justizbereich. Es fehlen ganz zentrale Bereiche: Sozial- oder Pensionsabsicherung und im Fremdenrecht.

derStandard.at: Homosexuellen Vertreter fürchten, dass die SPÖ das Paket schnell durchbringen will, um Erfolge vorweisen zu können.

Lunacek: Die SPÖ ist unter massivem Handlungsdruck. Im Wahlkampf hat Alfred Gusenbauer noch versprochen die Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen. Aber alleine wird die SPÖ das nicht durchbringen können, und hier droht der nächste Umfaller.

derStandard.at: Die ÖVP sträubt sich, obwohl in der Perspektivengruppe schon eine Einigung da war. Warum hat die ÖVP wieder einen Schritt zurück gemacht?

Lunacek: Der Vorschlag in der Perspektivengruppe war das Schweizer Modell, das die sozial- und pensionsrechtlichen Punkte sowie das Fremdenrecht miteinschließt. Der jetzige Vorschlag der Justizministerin ist weit davon entfernt. Ich glaube, die ÖVP hat sich von diesem ihrem eigenen Vorschlag entfernt, weil Personen wie Klubobmann Schüssel diesen Schritt ins 21. Jahrhundert nicht machen wollen. Er setzt sich innerhalb der ÖVP aber immer noch durch. Vizekanzler Molterer hat ja eigentlich versprochen, das Perspektivenpapier wird umgesetzt.

derStandard.at: Bei der ÖVP scheint es, als wäre die Zeremonie am Standesamt der einzige Streitpunkt.

Lunacek: Ich habe den Eindruck, das ist vorgeschoben. Dadurch, dass die ÖVP sogar das in Zweifel stellt, kann sie sich davor drücken, wichtige Punkte wie das Aufenthaltsrecht für binationale Paare anzusprechen.

derStandard.at: Wie soll die gleichgeschlechtliche Partnerschaft nach Ansicht der Grünen aussehen?

Lunacek: Wir wollen zwei Dinge. Unsere Forderung ist der Zivilpakt (ZIP), das ist ein neues Partnerschaftsgesetz für Lesben und Schwule und Heteros. Der ZIP enthält ähnliche Rechte wie die Ehe, aber zum Beispiel eine leichtere Auflösbarkeit. Und wir wollen die Öffnung der Ehe für jene Lesben und Schwulen, die das traditionelle Modell haben wollen. Gleichberechtigung heißt, dass alles für alle gilt. Wir wollen kein Sonderrecht für Lesben und Schwule, wir wollen dieselben Rechte wie alle anderen auch.

derStandard.at: Was haben die Standesämter für eine Position?

Lunacek: Das hängt von den Gemeinden ab. Im Standesamt im achten Bezirk, wo wir 2004 eine ZIP-Aktion gemacht haben, war man sehr offen und hat gesagt, wenn es endlich soweit ist, sollen die ersten gleichgeschlechtlichen Paare zu ihnen kommen. Aber grundsätzlich haben die Standesämter schlicht das umzusetzen, was gesetzlich geregelt wird.

derStandard.at: Warum gibt es in Österreich so wenige bekennende schwule und lesbische Politiker? In anderen Ländern ist das nicht so.

Lunacek: Es gibt mittlerweile schon mehr, sie sind nur alle von den Grünen: die neue Vizebürgermeisterin in Graz ist lesbisch, ich bin es, in Wien gibt es einen Landtagsabgeordneten, in Linz eine Gemeinderätin, in Innsbruck einen Gemeinderat, der jetzt für die Landtagswahlen kandidiert.

derStandard.at: Warum sind alle von den Grünen?

Lunacek: Weil sich die anderen nicht trauen und in ihren eigenen Parteien zu wenig Unterstützung erhalten. Ich kenne auch in den anderen Parteien einige Schwule (auffallenderweise kaum eine Lesbe), auch in der ÖVP. Gerade in der ÖVP würde es einiges bewegen, wenn sie sich outen würden. Sie sagen aber, das ist Privatsache. Das ist falsch. Denn Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen macht es anderen leichter. Und Heteros lernen, besser damit umzugehen.

derStandard.at: Ist das einer der Gründe, warum die Grünen die Kampagne "Total normal" gestartet haben?

Lunacek: In den Schulen gibt es so gut wie keine Aufklärung über Lesben und Schwule. Es gibt aber eine Studie, dass gerade schwule Jugendliche viel stärker selbstmordgefährdet sind als Heterosexuelle. Wir wollen mit der Kampagne mehr Offenheit und Sichtbarkeit erreichen. Wir fordern die Aufnahme des Themas in Lehrpläne und Lehrerausbildungen und eine Aufstockung der Budgetmittel für Schulprojekte über Homosexualität.

Bildungssprecher Dieter Brosz und ich werden im nächsten Nationalratsplenum am 9. oder 10. April auch einen Antrag an Bildungsministerin Schmied einbringen mit der Aufforderung einen neuen Sexualerziehungserlass herauszubringen mit Schwerpunkt Homosexualität. Der bisher gültige stammt aus dem Jahr 1970, als Homosexualität noch unter Totalverbot stand. (derStandard.at, 28.3.2008)