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Die Einigung enthält auch vertrauensbildende Maßnahmen zur besseren Zusammenarbeit der Koalitionsparteien.

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Neuer Arbeitseifer, neues Prozedere: Beim Ministerrat einigte sich die Koalition auf 95 Projekte, die sie nun angehen will. Beim Pressefoyer ließen sich der Kanzler und sein Vize nicht einmal in puncto Vermögenssteuer auseinanderdividieren. Noch nicht.

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Das alte Pressefoyer nach dem Ministerrat ist tot, es lebe der neue Arbeitsplan der Regierung: Am Mittwoch präsentierten Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) anlässlich des "Neustarts" der Koalition nicht nur ihre jüngsten Vereinbarungen zu Steuerentlastung, Gesundheitsreform & Co, sondern verkündeten auch das Aus für ein jahrzehntelanges Ritual, das der rote Absolutist Bruno Kreisky eingeführt hatte.

Um den Frieden zwischen SPÖ und ÖVP besser zu gewährleisten, streichen Gusenbauer und Molterer ab sofort ihren traditionellen Auftritt vor der Presse nach dem Ministerrat, der in den vergangenen Wochen zunehmend zu einer Konkurrenzshow ausartete. Stattdessen wollen die Koalitionäre nun vor ihrer wöchentlichen Regierungssitzung referieren, was sie anschließend zu beschließen gedenken. Möglicher Hintergrund: Mit diesem Prozedere wird es für die Medienleute schwieriger, aus den einzelnen Regierungsmitgliedern divergierende Positionen herauszukitzeln. Denn als Vortragende sind ausschließlich der Kanzler und der Vizekanzler vorgesehen, oder, falls sie Neuerungen zu verkünden haben, nur die zuständigen Fachminister.

Und an verlautbarenswerten Reformen soll es künftig nicht mehr mangeln: Im Ministerrat am Mittwoch beschloss die Regierung ganze 95 Themen samt Terminplan, die noch in diesem Jahr in Angriff genommen werden sollen. Kostprobe für die kommenden Monate: Im April wird eine Steuerreformkommission eingesetzt. Bis Oktober soll die Einigung über die Entlastung für 2010 stehen, mit der die Steuern um drei Milliarden Euro ohne Gegenfinanzierung gesenkt werden. Für Mai ist die Umsetzung der Mindestsicherung in Aussicht gestellt. Im Juni - während der Fußball-EM - wollen Rot und Schwarz eine Familienrechtsreform inklusive Homo-Partnerschaft zustande bringen. Ja, und selbst im Sommer will die Regierung arbeiten: Im Juli stehen Verfassungs- und Verwaltungsreform auf dem Plan, samt Neuordnung der Schulverwaltung.

Bei ihrem letzten Pressefoyer nach alter Schule machten Gusenbauer und Molterer selbst zur Vermögenszuwachssteuer, die in der ÖVP nicht gerade auf Begeisterung stößt, freundliche Miene.

Die Erträge aus der neuen Steuer sollen dem maroden Gesundheitssystem zugute kommen, jedoch erst, wenn alle "Einsparungspotenziale" und "Effizienzsteigerungen" vonseiten der Krankenkassen sowie des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger eruiert wurden, betonten der rote Kanzler und sein schwarzer Vize. Und trotz bohrender Fragen ließen sich der SPÖ-Chef und der ÖVP-Obmann nicht auseinanderdividieren - im Gegenteil, in ihren Aussagen gab es bloß zarte semantische Unterschiede. Gusenbauer zu den Kassen, die nun eigene Sparvorschläge bringen sollen: "Wir wollen die Freunde in den Krankenkassen nicht so einfach aus ihrer Pflicht entlassen." Und Molterer hörte sich zum Thema so an: "Wir wollen es unseren Partnern nicht ganz so leicht machen."

Details zur Vermögenszuwachssteuer wollten die beiden allerdings nicht bekanntgeben. Gusenbauer betonte, dass mit der neuen Abgabe "eine Steuerlücke" geschlossen werde. Analog zu einem Sparbuch, bei dem auch Zinsertragssteuer fällig sei, soll es künftig auch eine Besteuerung von Aktiengewinnen geben. Dazu stellte Gusenbauer klar, dass es Ausnahmen bei gewissen Vermögenszuwächsen geben werde - etwa beim Verkauf von Eigentumswohnungen, um sich ein neues Heim anzuschaffen. Im selben Atemzug beruhigte der rote Kanzler auch gleich eine schwarze Klientel: Bei landwirtschaftlichen Gütern, die seit Jahrhunderten in Besitz seien, werde sich kaum mehr eruieren lassen, wie hoch der damalige Wert gewesen sei, deswegen sei bei deren Verkauf wohl ebenfalls keine Steuer zu entrichten.

Und Molterer hielt fest: "In Erkennung der Realität" werde man die neue Steuer etablieren, denn: "Jeder fordert das perfekte Gesundheitssystem, und wenn notwendig, braucht es diese nachhaltige Finanzierung."

Keine Stunde später zweifelte Molterers Wirtschaftsminister im Standard-Gespräch den geplanten Obolus für Vermögenszuwächse allerdings schon wieder an. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.3.2008)