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Grafik: APA
Wien - Die heimischen Gletscher ziehen sich zurück. Und das offensichtlich rascher als vermutet. Mit den eisigen Messdaten aus dem Vorjahr liegt nun ein neuer Negativrekord vor. Nie hat sich das ewige Eis in den letzten fünf Jahren schneller zurückgezogen als im vergangenen Jahr.

Laut den Beobachtungen durch den Österreichischen Alpenverein fällt das Ergebnis ähnlich alarmierend wie schon in den Jahren 1998 und 2003 aus: Bei den erfassten Gletschern zog sich deren Ende deutlich zurück. Aus 82 Messwerten wurde für das Haushaltsjahr 2006/07 ein mittlerer Längenverlust von 22,2 Metern ermittelt. Das waren nur 0,7 Meter weniger als im bisher gletscherabträglichsten Jahr 2003, in dem dieser Wert 22,9 Meter betrug. Die in den vergangenen Jahren zunehmenden Auflösungen der Gletscherzungen großer Gletscher setzten sich verstärkt fort.

Zungenprobleme

Rekordhalter war der Weißseeferner im Tiroler Kaunertal mit 96,5 Metern. Die größte Rückzugslänge am Weißseeferner wurde gefolgt vom Schalfferner (Ötztaler Alpen) mit 87,0 Metern und vom Niederjochferner (Ötztaler Alpen) mit 84,0 Metern. Fünf Gletscher schmolzen um mehr als 40 Meter, 15 Gletscher um mehr als 30 Meter zurück. Die großen Längenverluste häuften sich bei den Ötztaler Gletschern: Sechs von acht Zungen, die über 40 Meter und acht von 15 Zungen, die über 30 Meter kürzer wurden, lagen in den Ötztaler Alpen.

Die Ursache für das rasante Schmelzen sehen Experten vor allem in den eisfeindlichen Temperaturen. "Der Winter war um 3,2 Grad Celsius wärmer als der Durchschnitt, der April übertraf den Normalwert sogar um mehr als 5 Grad. Und der Niederschlag im April erreichte nur zehn Prozent der normalen Mengen. Auch das Sommerhalbjahr war überdurchschnittlich warm", erläutert der Leiter des Alpenverein-Gletschermessdienstes Gernot Patzelt.

All das hätte zu einer früheren Ausaperung und Abschmelzung geführt und besonders "den tieferen Zungenlagen arg zugesetzt", so Patzelt. Im Messnetz der Gletschervermesser sind aktuell 103 Gletscher. "Von 93 liegen jetzt konkrete Ergebnisse vor", zieht Patzelt Bilanz. Und es gibt klare Indizien, dass es bereits in grauer Vorzeit bei uns deutlich wärmer gewesen sein muss. "An Gletscherrändern werden immer wieder Holzreste freigelegt oder ausgespült. Sie deuten darauf hin, dass in den letzten 10.000 Jahren die Temperatur häufig höher als heute war", ist der Gletscherexperte überzeugt.

Zum Kochen bringt der alarmierende Gletscherbericht des Alpenvereins erwartungsgemäß vor allem die Grünen. "Der Befund ist dramatisch. Das ist ein klares Alarmzeichen, dass sich der Klimawandel beschleunigt. Was muss noch alles passieren, damit die Bundesregierung aus ihrer Klimaschutzstarre erwacht", kritisiert die stellvertretende Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig.

Derzeit herrsche auf allen Ebenen Stillstand. "Statt beim Klimaschutz Nägel mit Köpfen zu machen und endlich wirksame Maßnahmen umzusetzen, bekämpft die Bundesregierung auf EU-Ebene wirksame Klimaschutzmaßnahmen", ist die Grünpolitikerin überzeugt. (APA, mro/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30. 3. 2008)