Innsbruck - Für den Innsbrucker Glaziologen Univ.-Prof. Gernot Patzelt sind die hohen Werte beim Schwund der österreichischen Gletscher, die der Österreichische Alpenverein (OeAV) am Freitag präsentiert hatte (---> mehr dazu hier), nichts Ungewöhnliches. Messungen des OeAV für das überdurchschnittlich warme vergangene Jahr hatten ergeben, dass der Längenverlust der höchste seit vier Jahren war. In den vergangenen 10.000 Jahren sei es häufig wärmer als heute gewesen, erklärte der Forscher.

Konkrete Beispiele

In der aktuellen Ausgabe der OeAV-Zeitung "Bergauf" verwies Patzelt auf den Tschierva Gletscher in der Bernina Gruppe, der wie die meisten Alpengletscher nach der letzten Vorstoßperiode (1967 bis 1987) stark zurückschmolz. Dabei wurden in den vergangenen Jahren im Gelände unmittelbar vor dem Eisrand zahlreiche Baumholzreste eisfrei. Bei Untersuchungen wurden Wachstumszeiträume um 9.000 Jahren vor heute, zwischen 7.450 und 6.650 Jahren vor heute und um 6.200 Jahren vor heute festgestellt. Alle Befunde zeigen, dass Gletscher früher deutlich kleiner gewesen sein müssen als heute.

Ähnliche Ergebnisse liefern Funde von der Pasterze am Großglockner. Dort spülte der Gletscherbach, die Möll, in den 1990er Jahren mehrere Zirbenstammreste unter dem Eis heraus, die bis zu 10.250 Jahre alt sind.

10.000 Sommer

Baumholzfunde aus Mooren, die außerhalb der neuzeitlichen Gletscherreichweite lagen, zeigten, dass die Baum- und Waldgrenze einst mindestens 50 bis 100 Meter höher gewesen sei, als sie sich unter den gegenwärtigen klimatischen Bedingungen zu entwickeln beginne, erläuterte Patzelt. Ein im Sommer 2007 gefundenes Zirbenaststück aus einem Moor in 2.450 m Höhe im Krummgampental (Kaunertal, Ötztaler Alpen) ist 7.600 Jahre alt. Holzreste aus über 2.400 Metern Höhe wurden im Reschenpassgebiet gefunden. Die aus Geländebefunden abgeleiteten Temperaturverhältnisse hätten ergeben, dass in 65 Prozent der vergangenen 10.000 Jahre die Sommerhalbjahre so warm oder wärmer gewesen seien als heute.

Die aktuelle Temperaturentwicklung liege im normalen Schwankungsbereich, schrieb Patzelt. Warmphasen dieser Art seien bisher immer als "Klimaoptima" bezeichnet worden, was man vielleicht auch bei der derzeitigen Klimadiskussion stärker in Rechnung stellen sollte, meinte der Innsbrucker Gletscherforscher. (APA)