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Foto: APA/dpa/Rainer Jensen
Wien – "Trotz aller Aufklärungs- und Sensibilisierungsbemühungen müssen wir leider von einer regelrechten Hautkrebsepidemie sprechen", sagt Hubert Pehamberger, Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemeine Dermatologie am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV). Der so genannte "schwarze" Hautkrebs (Melanom) ist ungebremst im Vormarsch: Rund 2.000 Menschen erkranken jährlich in Österreich daran, rund 300 bis 400 Todesfälle sind zu verzeichnen.

Doch eine weitere Gefahr wir unterschätzt: Vor allem auch die Zahl der Neuerkrankungen am weniger bekannten und daher häufig unterschätzten "weißen" Hautkrebs (Nicht-Melanom-Hautkarzinome oder "non-melanoma skin cancer") steigt drastisch an. "Nicht-Melanom-Hautkarzinome repräsentieren heute die häufigste Krebsform beim Menschen, mit jährlichen Zuwachsraten von sieben bis zehn Prozent", warnt Prof. Pehamberger. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung sei mit weiteren Zunahmen zu rechnen.

Rötliche Flecken und Schuppungen

Besonders verbreitet sind die so genannten "Aktinischen Keratosen", die sich durch rötliche Flecken oder schuppige Erhebungen auf der Haut bemerkbar machen. "Fast jeder zweite Über-60-Jährige", betont Pehamberger. "Aktinischen Keratosen sind nichts anderes als Plattenepithel-Karzinome ‚in situ' – also in Entwicklung. Das ist den meisten Betroffenen nicht bewusst. In etwa zehn Prozent der Fälle entwickeln sich daraus invasive Plattenepithel-Karzinome, die in die Tiefe wachsen." Das Plattenepithel-Karzinom ist etwa zehn Mal häufiger als das Melanom und neigt im fortgeschrittenen Stadium zur Metastasierung.

Basaliom

Ein ebenfalls sehr häufiger Hautkrebstyp ist das Basalzellkarzinom oder Basaliom, rund 25.000 bis 30.000 Neuerkrankungen sind jährlich in Österreich zu verzeichnen. Als einziger maligner Tumor metastasiert das Basaliom selten und wird daher häufig in seinen Auswirkungen unterschätzt. "Es wächst jedoch lokal zerstörend und das Risiko, im Lauf eines Lebens ein Basalzellkarzinom zu entwickeln, liegt bei rund 30 Prozent", sagt Pehamberger.

Früherkennung und frühe Behandlung wichtig

"Alle Hautkrebsformen, auch die Aktinischen Keratosen, müssen unbedingt behandelt werden", betont Pehamberger. "Und je früher dies geschieht, desto besser sind auch die Heilungschancen." Daher rät der Experte auch zur regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung beim Hautarzt: "Je nach dem individuellen Risikoprofil ist eine unterschiedliche Kontrollfrequenz anzuraten. Bei manchen Menschen sind Kontrollen alle drei Monate nötig, bei anderen reichen Abstände von drei bis fünf Jahren aus." Hier gibt es allerdings noch einen großen Nachholbedarf: 60 Prozent der Erwachsenen, zeigte eine Umfrage der oberösterreichischen Ärztekammer, waren noch nie bei einer Hautvorsorge-Untersuchung.

"Kein Todesurteil mehr bei rechtzeitiger Vorsorge"

Das kann problematische Folgen haben: Denn beim Melanom ist Früherkennung und rechtzeitige chirurgische Exzision nach wie vor die wesentlichste therapeutische Maßnahme. "Wir kennen heute Kriterien, die es dem erfahrenen Hautarzt gestatten, das Melanom in seinen Frühformen zu erkennen. Weiter steht mit der Auflichtmikroskopie bzw. digitalen Dermatoskopie eine Methode zur Verfügung, die die klinische Diagnose verbessert und auch durch Dokumentation der Pigmentmale die Kontrolluntersuchung und Nachsorge ermöglicht" fasst Pehamberger zusammen. "Auch in therapeutischer Hinsicht sind heute zahlreiche Therapieansätze in klinischer Erprobung oder Anwendung, sodass auch die Melanom-Metastase kein Todesurteil mehr darstellt."

Weißer Hautkrebs: moderne Lokaltherapie

Beim weißen Hautkrebs wurden neben der chirurgischen Therapie in der letzten Zeit moderne lokale Behandlungsmethoden entwickelt, berichtet Pehamberger. Dies ist für Betroffene schon deshalb von Bedeutung, weil die gängigen invasiven Verfahren schmerzhaft sind und oft Narben hinterlassen können, die besonders im Gesicht störend sein können. "Vor allem multiple Läsionen sollten mit einer flächenhaften Lokaltherapie behandelt werden", so der Experte. "Alternativen zur Operation sind die so genannte photodynamische Therapie – eine Kombination aus Salbe und Bestrahlung – sowie Cremen, etwa mit einer Kombination aus Diclofenac und Hyaloronsäure, mit dem Chemotherapeutikum 5-Fluorouracil oder mit dem neuartigen Wirkstoff Imiquimod, der zur Gruppe der so genannten Immunmodulatoren gehört. Durch diese Substanz wird das Immunsystem der Haut aktiviert, gezielt gegen Krebszellen vorzugehen."

Eine Option, die auch beim Basaliom eine Rolle spielt, so Pehamberger: "Die Standard-Therapie beim Basalzellkarzinom ist die vollständige chirurgische Entfernung. Bei oberflächlichen oder inoperablen knotigen Basalzellkarzinomen kann zusätzlich auch anstelle der Operation die immunstimulierende Cremetherapie eingesetzt werden."

"Krebsfelder": Großflächige Gefahr effektiv bannen

Ein wichtiger Vorteil der neuen Therapieoptionen ist, dass großflächige Hautareale behandelt werden können, betont Pehamberger. "Bei Hautkarzinomen liegen nicht nur in den bereits veränderten Hautstellen selbst, sondern auch in der Umgebung genetische Veränderungen vor, die sich zu Krebs entwickeln können." Experten sprechen daher heute von Krebsfeldern oder "field cancerization". Hier habe die Cremetherapie einen entscheidenden Vorteil:"Sie bekämpft auch die nicht sichtbaren Zellschädigungen zwischen den erkennbaren Hautveränderungen, so werden auch noch nicht sichtbare Erkrankungsherde mit behandelt."

Risikofaktor Sonne – Richtig schützen

Ein wesentlicher gemeinsamer Risikofaktor aller Hautkrebsformen ist regelmäßige Sonneneinwirkung. "UV-Strahlung trägt in zweifacher Weise zur Entstehung von Hautkrebs bei – einmal direkt durch die Schäden an der Haut, und zudem, weil sie das Immunsystem des Körpers negativ beeinflusst und so den körpereigenen Krebsschutz schwächt", erklärt Pehamberger.

Besonders häufig treten die gefährlichen Hautveränderungen daher auch am Kopf, im Gesicht, im Schulter- und Dekolletébereich, and den Unterarmen und Handrücken auf – also an Stellen, die besonders intensiv von der Sonne bestrahlt werden. Hier seien vorbeugende Maßnahmen besonders wichtig, betont Prof. Pehamberger. "Wichtig ist es, Sonnenexposition bei besonders hoher UV-Belastung wie in der Mittagszeit zu vermeiden, sich besser im Schatten als in der Sonne aufzuhalten, und sich mit Kopfbedeckungen, Kleidung und wirksamen Breitband-Lichtschutzmitteln zu schützen."

Sonnenschutz kein Freibrief zum "Braten"

Was den Lichtschutzfaktor von Sonnenschutzmitteln betrifft, soll eine neue Empfehlung von EU und dem Dachverband der europäischen Kosmetikindustrie (COLIPA) für mehr Transparenz für Konsumenten sorgen. Nach einer Übergangsfrist bis 2009 ist auf Produkten der Lichtschutzfaktor künftig in den Kategorien "niedrig" (6, 10), "mittel" (15, 20, 25), "hoch" (30, 50) und "sehr hoch" (50+) auszuweisen. "Außerdem soll der UVA-Schutz künftig mit einer vereinheitlichten Labortestmethode bestimmt werden", berichtet Pehamberger. "Zu beachten ist allerdings, dass der Lichtschutzfaktor sich ausschließlich auf den Schutz vor Sonnenbrand bezieht, er hat keine sichere Aussagekraft hinsichtlich Schutz vor Hautkrebs. Auch ein guter Lichtschutzfaktor ist also keineswegs ein Freibrief zum Sonnenbraten."

Neu: molekulare Prävention Ein neuer vorbeugender Ansatz sei die so genannte molekulare Prävention. "Darunter versteht man die Beseitigung von klinisch noch nicht sichtbaren Hautschäden durch die Anwendung von Lichtschutzpräparaten mit DNA-Reparaturenzymen. Die Strategie hat sich bei Patienten mit genetisch bedingtem Hautkrebs als klinisch wirksam erwiesen." Auch einige pflanzliche Substanzen wie Polyphenole aus grünem Tee oder Sulforapahane aus Brokkoli seien zur Lichtschutzerprobung zum Teil in klinischer Testung, zum Teil bereits erhältlich, so Pehamberger. (red)