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Wien – "Die Steuer trifft die Falschen." Wirtschaftsforscher Bernhard Felderer (IHS) spricht vielen Kritikern aus der Seele. Weil heutzutage auch Normalbürger ihr Geld in Wertpapieren anlegten ("wir haben eine breite Streuung von Aktien", sagt Felderer), würde die geplante 25 Prozent-Steuer auf Gewinne aus Aktien- und Immobilienverkäufen vor allem wieder eine ohnehin hoch belastete Gruppe schröpfen: den Mittelstand.

Ist diese Befürchtung durch nüchterne Zahlen gedeckt? In einer repräsentativen Umfrage hat die Österreichische Nationalbank (OeNB) erhoben, wer in Österreich wie viel Geld besitzt. Die Studie aus dem Jahr 2004 beinhaltet die jüngsten hierzulande verfügbaren Daten über die Vermögensverteilung – und stellt manches Argument der Kritiker der neuen Steuer in Frage. OeNB-Volkswirt Martin Schürz: "Dass von einer Vermögenszuwachssteuer in erster Linie der Mittelstand betroffen wäre, lässt sich aus unseren Zahlen nicht herauslesen."

Vermögen schlecht verteilt

"Geldvermögen sind in Österreich wesentlich ungleicher verteilt als Einkommen", analysiert Schürz. Während die kleineren und mittleren Einkommensschichten "kaum über nennenswerte Summen" verfügten, konzentriere sich ein großer Teil des monetären Reichtums auf einige wenige.

Das oberste Prozent hält ganze 20 Prozent des Geldvermögens, die obersten zehn Prozent 53 Prozent, das oberste Drittel vier Fünftel. Während der Durchschnittsösterreicher gemessen am Median (50 Prozent liegen darüber, 50 Prozent darunter) über ein Geldvermögen von 22.000 Euro verfügt, liegt das Niveau im Klub des reichsten Zehntels bei 176.000 Euro.

Das schlägt sich auch in der Verbreitung von Wertpapieren, in denen dieses Geld mitunter angelegt ist, nieder. Nur 16 Prozent der Österreicher halten laut OeNB Aktien, ein im internationalen Vergleich niedriger Wert, wie Schürz feststellt: "Unsere Daten zeigen keine breite Streuung von Aktien in Österreich. Je höher das Einkommen und Vermögen, desto eher besitzt jemand solche Papiere." Von den Haushalten mit dem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1350 bis 2250 Euro besitzt nur jeder zehnte Aktien. Erst ab 3000 Euro beträgt die Quote ein Drittel.

Selbst die staatlich geförderte Altersvorsorge (die von der neuen V-Steuer ausgenommen werden soll), ist tendenziell ein Vergnügen der Bessersituierten. Lediglich zwölf Prozent sparen auf diese Weise für die Pension, erst ab einem Haushaltseinkommen von 3600 Euro netto beträgt der Anteil über 20 Prozent.

287.000 Euro auf der hohen Kante

Aber wird die neue Vermögenssteuer die ins Auge gefasste Zielgruppe überhaupt erreichen? Oder können die wirklich Reichen, wie Kritiker befürchten, ihr Vermögen rechtzeitig in steuerbegünstigten Privatstiftungen in Sicherheit bringen?

Die OeNB-Studie, die auf über 2500 erhobene Datensätze zurückgreift, bietet auch da sachdienliche Hinweise. In der Untersuchung sind nämlich keine Vermögen erfasst, die in Stiftungen geparkt sind. Dennoch geht es um Summen, die nicht gerade als "Peanuts" qualifiziert werden können: Wer etwa zu jenen obersten zehn Prozent zählt, das über die Hälfte des gesamten Geldvermögens besitzt, hat allein an Geldwerten im Durchschnitt 287.000 Euro (knapp vier Millionen Schilling) auf der hohen Kante. Die Euro-Millionäre allein halten 13 Prozent des gesamten Geldvermögens – Stiftungen nicht eingerechnet. Zum Vergleich: Laut gesamtwirtschaftlicher Finanzierungsrechnung der OeNB betrug das private Geldvermögen in Österreich 2007 384 Milliarden Euro.

Wegen diverser Kosten seien Privatstiftungen erst ab bestimmten Summen attraktiv, sagt Karl Bruckner, Steuerexperte und Chef der BDO Auxilia Treuhand: "Das zahlt sich ab Beteiligungsvermögen von zwei bis drei Millionen Euro aus."

Steuerberater: "Chaos"

Die Steuerberater warnen indessen vor einer Ausdehnung einer Vermögenszuwachssteuer auf die Wertsteigerung auf Gegenstände wie von Kunst, Antiquitäten oder Oldtimer-Autos (DER STANDARD berichtete am Dienstag über Bedenken im Finanzministerium). "Die Folge wäre ein administratives Chaos", so der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner. Die genaue Bewertung von vor Jahren erworbenen oder ererbten Gegenstände sei "völlig unmöglich". Hübner ist strikt gegen die "Wiedereinführung der Erbschaftssteuer durch die Hintertür". (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.4.2008)