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Wie können die Olympischen Spiele politisch genutzt werden - wie hier von Exil-Tibetern?

Foto: Reuters/Rupak De Chowdhuri
Wien - Es mag schon sein, wie der Economist berichtet, dass die chinesischen Sicherheitskräfte diesmal in Tibet vorsichtiger und nicht so brutal vorgegangen sind wie bei früheren Anlässen (es ist noch immer schlimm genug). Dies bedeutet aber nur, dass Peking sensibel auf Kritik von außen reagiert und sich derzeit kein neues Tiananmen leisten will. Und dies bedeutet auch, dass die Aussagen von IOC und ÖOC, Sport habe mit Politik nichts zu tun, einfach nicht stimmen: Ohne die kommenden Olympischen Spiele hätte es eventuell schon ein zweites Tiananmen gegeben.

Und es bedeutet, dass die Sportorganisationen, die SportlerInnen und FunktionärInnen sehr wohl einen Einfluss auf die Haltung von Regimen wie dem chinesischen haben - PolitikerInnen und Wirtschaftstreibende natürlich ebenso. Aus diesem Grund halte ich einen Boykott der Eröffnungsveranstaltung durch das offizielle Österreich für unumgänglich. Das Herumlavieren von Außenministerin Plassnik beim EU-Außenministergipfel am vergangenen Wochenende ist genauso unerträglich wie die abwartende Haltung von Bundespräsident Fischer und Kanzler Gusenbauer.

Worauf warten sie denn noch? Glauben sie denn wirklich, die Regierung in Peking wird uneinigen und vagen EU-Appellen mehr Gehör schenken als einem einstimmigen Beschluss der EU (der leider nicht geschehen ist), die Eröffnungszeremonie zu boykottieren und sich so gegen die Instrumentalisierung für Pekings repressive Politik schon im Voraus zur Wehr zu setzen?

Alle VertreterInnen von Sport, Politik und Wirtschaft sollten die Verletzung von Menschenrechten und Medien- wie Meinungsfreiheit in Tibet und in China insgesamt lautstark kritisieren. Sie sollten weiters Überlegungen anstellen, wie mit diesen Olympischen Spielen der angeblich und nur scheinbar politikfreie Sport-Raum genutzt werden kann, mehr an Rechten und Freiheiten für die TibeterInnen sowie andere Minderheiten und insgesamt Andersdenkende zu verlangen. So wäre etwa das Tragen des "weißen Glücksschales" ein sinnvolles Zeichen der Solidarität mit den TibeterInnen.

Langfristig bedeuten die Ereignisse in Tibet aber auch, dass das IOC und die nationalen olympischen Komitees lernen müssen, dass die Einhaltung von Menschenrechten Kriterium für die Vergabe von Olympischen Spielen sein muss. Denn wieso sollen die SportlerInnen, die jahrelang auf Olympia hintrainieren, für eine von ihnen nicht beeinflussbare Entscheidung des IOC und eine von ihnen ebenfalls nicht beeinflussbare repressive Lage im Land bestraft werden?

Der Boykott der Sportwettkämpfe steht zwar im Raum, ich selbst halte ihn zum jetzigen Zeitpunkt nicht für sinnvoll (weil nicht zielführend, weil es dafür keine breite Unterstützung in China selbst gibt, wie das beim einzig erfolgreichen Boykott gegen das Apartheid-Regime Südafrikas der Fall war). Es fordert ihn ja nicht einmal der Dalai Lama. Ein allgemeiner Boykott würde vielleicht die Empörung und die Entrüstung in unseren Herzen befriedigen - den TibeterInnen würde er nicht wirklich etwas nützen.

Außerdem hätte die Empörung schon ansetzen müssen, bevor die Spiele nach Peking vergeben wurden. Schließlich ist schon lange bekannt, wie es das Regime mit Andersdenkenden hält - in Tibet und anderswo im großen Reich der Mitte. Wirtschaftsdelegationen hat das übrigens bis heute nie empört ... (DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2008)