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Tennis-Spieler und Olympia-Teilnehmer Werner Schlager: "Sport kann wohlbedacht politisches Werkezeug sein, niemals ein Druckmittel."

Foto: REUTERS/Bobby Yip
Der österreichische Tischtennis-Spieler und Olympia Teilnehmer Werner Schlager nimmt an Sportveranstaltungen in den USA nicht mehr teil, hält einen Boykott der Olympischen Spiele in China aber nicht für sinnvoll. Die Gründe dafür erklärt er in einem Interview mit derStandard.at. Die Fragen stellte Michaela Kampl.

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derStandard.at: Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Tibet sind in den vergangenen Tagen immer wieder Forderungen nach einem Boykott der Olympischen Spiele in Peking laut geworden. Wäre für Sie ein Boykott eine sinnvolle Maßnahme, um politischen Druck auf die chinesische Regierung auszuüben?

Werner Schlager: Ich denke in diesem speziellen Fall nicht. Die Sportler sollten sich generell auf das besinnen, was sie am besten können, nämlich sportliche Höchstleistungen erbringen. Um Weltpolitik zu machen, sind unkoordinierte Aktionen von ein paar Sportlern nicht geeignet. Politik sollten Politiker betreiben.

Das bedeutet natürlich nicht, dass ich an den Aktionen Chinas in Tibet nichts moralisch Verwerfliches finde. Realität aber ist: Es spielen sich täglich hunderte Dramen auf der Welt ab. Müsste man deshalb nicht täglich protestieren? Würde dies die Weltpolitik auch nachhaltig beeinflussen? Ich denke erst ab einer Hunderttausendschaft an Gleichgesinnten. Dagegen können eine Hand voll gleich agierender Politiker sicherlich viel mehr bewirken.

derStandard.at: Soll und kann Sport überhaupt ein politisches Werkzeug oder Druckmittel sein?

Schlager: Wohlbedacht ein Werkzeug, niemals ein Druckmittel.

derStandard.at: Wo verläuft für Sie die Grenzen zwischen Sport und Politik? Anders gefragt: Ab wann wird Sport politisch? Ab welchem Zeitpunkt hat man als Sportler auch eine politische Verantwortung und politischen Einfluss?

Schlager: Als Sportler in einem fremden Land seine Heimat zu vertreten, bedeutet automatisch ein Botschafter seines Landes zu sein. Je bekannter man ist, desto mehr Gewicht bekommt der Auftritt. Sport kann positive politische Signale setzen. Wie zum Beispiel die „PingPong-Diplomacy“ der USA mit China in den 70ern, die zur Öffnung Chinas gegenüber dem Westen entscheidend beitrug. Diese Signale sollten wohlüberlegt, in Übereinstimmung mit den politischen Entscheidungsträgern und vor allem möglichst nachhaltig sein.

derStandard.at: Ist es möglich sich als Sportler aus diesem Spannungsverhältnis herauszuhalten?

Schlager: Ich denke schon.

derStandard.at: Inwieweit bekommt man als teilnehmender Sportler etwas vom Austragungsland mit, das über Folklore-Veranstaltung hinaus geht? Oder sind die Olympischen Spiele ein Paralleluniversum mit wenig Kontakt zur Außenwelt?

Schlager: Wer interessiert ist, der findet Mittel und Wege diesen Interessen nachzugehen. Somit ist es meiner Meinung nach unmöglich, alle Leute zu täuschen. Das bedeutet aber auch, dass die Eindrücke der Menschen sehr verschieden sein können. Je nachdem, mit wie viel Initiative der jeweilige seine Meinung gebildet hat. Leider wird heutzutage, besonders von den Medien, vorgefertigte Information gerne unkontrolliert wiedergegeben anstatt recherchiert. Dies ist, meiner Meinung nach, ein entscheidender Grund für die aktuellen Probleme dieser Welt.

derStandard.at: Wie sollten die verantwortlichen Politiker und das IOC im Idealfall reagieren, um sowohl gegen die Menschenrechtsverletzungen aufzutreten, aber auch die Interessen der Sportler nicht übergehen?

Schlager: Der Idealfall: Eine Aktion beschließen, die sowohl von den Politikern, als auch von den Sportlern unterstützt wird. Natürlich wäre ich auch bereit, bei überzeugenden Argumenten meine persönlichen (sportlichen) Interessen hintanzustellen.

derStandard.at: Was müsste in einem Land passieren, damit Sie die Teilnahme an einer Sportveranstaltung absagen?

Schlager: Ich nehme seit Jahren an keinen sportlichen Veranstaltungen in den Vereinigten Staaten mehr teil. Die Außenpolitik der USA, sowie die Informationspolitik bezüglich der schrecklichen Ereignisse am 11. September 2001 haben mich dazu veranlasst. Dieser Schritt war, nach intensiver und anhaltender Meinungsbildung, für mich moralisch zwingend. Ich habe die Amerikaner als sehr liebenswerte und nette Leute kennengelernt. Deshalb hoffe ich, dass die politisch Verantwortlichen bald eine funktionierende Demokratie erfahren.

derStandard.at: Ist die Boykott-Thematik und die Situation in China und Tibet auch Gesprächsstoff unter den Sportlern? Gibt es auch Verständnis für die Forderung nach einem Olympia-Boykott?

Schlager: Bis jetzt gab es nur wenig Austausch bezüglich diese Themas. Ich denke, dass die Sportler intensiv mit der Olympiaqualifikation bzw. mit der Olympiavorbereitung beschäftigt sind. (derStandard.at, 3.4. 2008)