Nein, Wolfgang Schüssel gebe in der ÖVP nicht mehr den Ton an. Diese Gerüchte würden nur von bösen, politischen Gegnern oder negativ eingestellten Medien gestreut. Er, Wilhelm Molterer, sei der Parteichef und gebe die Linie vor. So kommuniziert es der Vizekanzler gern.

Die Debatte um die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle zeigt aber genau das Gegenteil. Vor eineinhalb Jahren versprach Molterer, die Ergebnisse der ÖVP-Perspektivengruppen umzusetzen. Im Endbericht der ÖVP-Vordenker steht schwarz auf weiß: "Zwei Personen gleichen Geschlechts können ihre Partnerschaft beim Standesamt eintragen lassen." Punkt. Jetzt will Wilhelm Molterer davon nichts mehr wissen. Er sei gegen das Standesamt, es gäbe "Alternativen".

ÖVP-Klubchef Wolfgang Schüssel hat diesen Kurs schon Ende Jänner eingeschlagen. Er glaube nicht, dass am Ende der Diskussion das Standesamt herauskomme, sagte der Exkanzler. Er hat die neue Linie aber sicher nicht vorgegeben. Das kann ja nur der Parteichef. Schüssel hat offenbar nur antizipiert, wie Molterer - im Sinne einer starken Nummer eins - seine Meinung präzisieren würde.

Wer's glaubt. In Wahrheit hat Molterer das gemacht, was man Kanzler Gusenbauer gern nachsagt: Er ist umgefallen. Und er tut sich damit nichts Gutes. Wer eine erneuerte ÖVP signalisieren will, kann nicht an ideologischen Standpunkten festhalten, die seit 300 Jahren nicht überdacht wurden. Es gibt kein sachliches Argument gegen das Standesamt. Die Alternative Bezirkshauptmannschaft ist ein Scherz. Oder wie darf man sich das vorstellen? "Grüß Gott! Ich würde gerne mein Auto und meinen Lebensgefährten anmelden." Das Eingehen einer Lebenspartnerschaft ist nun mal kein reiner Verwaltungsakt. Es ist - im Idealfall - eine Entscheidung für den Rest des Lebens. Und das soll auch zum Ausdruck gebracht werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.4.2008)