Zukünftige Historiker werden festhalten, dass Europa dem amerikanischen Präsidenten George Bush viel verdankt. Mit geduldiger, vollendeter Staatskunst werden sie schreiben, hat er Geburtshelfer gespielt bei der Vereinigung von Ost- und Westeuropa. Wie er Russland behandelt hat, war fast meisterlich. Gleichzeitig hat er eine beeindruckende internationale Koalition gegen Saddam Hussein geschmiedet.

Ich beziehe mich natürlich auf George Bush Vater – George H. W. Bush. Schade um den Sohn. Der Gedanke schmerzt, wie viel der Vater in nur vier Jahren für Europa getan und wie wenig (um es höflich zu sagen) sein Sohn in acht Jahren erreicht hat.

Bush war bei seinem ersten Staatsbesuch auf dem Alten Kontinent 2001 fest entschlossen, uns Europäer vom Raketenabwehrschild zu überzeugen; er selbst scheint davon immer noch überzeugt. Daher schleppt sich dieses Projekt – ein Kind oder vielleicht schon Enkel von Ronald Reagans „Star Wars“ – so dahin, nur unterstützt von zunehmend zögernden Polen und Tschechen.

Wirkungsloser Schutzschild

Der Gedanke, dass man sich und seine Verbündeten gegen eine potenzielle Nuklearmacht Iran oder andere Schurkenstaaten oder gegen Terroristen mit schmutzigen Bomben mit einer modernisierten Version dessen schützen kann, was Reagan vor 20 Jahren gegen die alte Nuklearmacht UdSSR geplant hat, ist etwa so intelligent, wie wenn man einen riesigen Regenschirm über seinen Kopf hält, während einem das Hochwasser schon beim Bauch steht und Piranhas die Knöchel benagen.

Dann gibt’s Afghanistan. Dort laufen die westlichen Demokratien Gefahr, einen Krieg zu verlieren, den wir schon als gewonnen gesehen haben. Anders wie manche der europäischen Linken halte ich den Krieg gegen Al-Kaida und die Taliban in Afghanistan für völlig gerechtfertigt. Aber es war bekannt, dass diese Schlacht in einem der gnadenlosesten Plätze der Erde brutal sein wird und nach Konzentration, Ausdauer und einer multinationalen Koalition unter geschickter Führung verlangt. Das hat Bush Junior nicht liefern können.

Rufen wir uns ins Gedächtnis, dass die Nato zum ersten Mal in ihrer Geschichte nach 9/11 ihren berühmten Artikel 5 – einer für alle, und alle für einen – in Kraft gesetzt und Hilfe in Afghanistan angeboten hat. Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat dieses Angebot verächtlich zurückgewiesen. Sieben Jahre später bettelt Washington um tausend französische Soldaten.

Inkompetente Ausführung

Der Hauptgrund für diese verzweifelte Situation liegt darin, dass die Bush-Administration, noch ehe das Blut in den Bergen Afghanistans _trocken war, ein ungerechtfertigtes, schlecht fundiertes und desaströses Abenteuer in der irakischen Wüste begonnen hat. Nach fünf Jahren müssen selbst jene, die den Irak-Krieg immer noch für gerechtfertigt halten, zugeben, dass die Durchführung äußerst inkompetent war.

Kurz gesagt, das W. in George W. steht für willensschwach: während der nach außen milde und adrette George H. W. Bush bei den Fragen, die wichtig waren, ein starker Präsident war – ein die Staatskunst wirkungsvoll ausübender. Nicht, dass Bush Senior alles richtig gemacht hat. Damit, dass er nicht bis Bagdad durchmarschiert ist, nur um die Koalition nicht zu gefährden, hat er seinem Sohn die Probleme hinterlassen. Ebenso wie mit dem zu realpolitischen Bündnis mit dem Haus Saud, während der wahabitische Klerus direkt unter ihren Nasen in von Petrodollars finanzierten Moscheen den Hass gepredigt hat. 1991 hat er die Ukrainer dazu aufgerufen, nicht nach Unabhängigkeit zu streben – ein Tiefpunkt.

Im Gegensatz zu vielen stimme ich grundsätzlich mit der indirekten Kritik von Bush Junior an seinem Vater wegen der Kurzsichtigkeit des sogenannten Realismus an Orten wie Saudi-Arabien und der Ukraine überein. Ich stimme mit seinem Anspruch überein, dass nur die Verbreitung der liberalen Demokratie Friedensgarantie ist. Und ich stimme seinem Beharren zu, dass weder Wladimir Putin noch sein Nachfolger irgendein Recht haben, den Nachbarn Russlands vorzuschreiben, welchen Bündnissen sie beitreten sollen. Die Durchführung war die Katastrophe.

Vergleichen wir Deutschland 1990 und die Ukraine 2008. In einer Abhandlung von Philip Zelikow und Condoleezza Rice kann man lesen, wie hervorragend Bush zwei so unwillige Verbündete wie Großbritannien und Frankreich dazu gebracht hat, die deutsche Wiedervereinigung zu akzeptieren, und wie brillant er Michail Gorbatschow überredet hat, ein vereintes Deutschland der Nato beitreten zu lassen.

Heute sieht sich Bush Junior einer Revolte von Frankreich und Deutschland gegenüber, die nicht zulassen wollen, dass die Ukraine offiziell zum Beitritt zur Nato eingeladen wird. Zugegeben, Putin ist eine härtere Nuss als Gorbatschow, aber das Timing von Bush ist ungeschickt – vor der Amtsübergabe von Putin an seinen Nachfolger. Und die Mehrheit der Ukrainer will nicht in die Nato.

Albanien als Erfolgsausweis

Hätte er etwas von seinem Vater abgeschaut oder wenigstens Condis Buch gelesen, hätte er intensive private Gespräche mit seinen Alliierten und mit Moskau geführt, parallel zu öffentlichen Gesprächen mit der Ukraine, hätte er an vergangene Wohltaten erinnert, den Zeitpunkt gut ausgesucht, sich weniger Sorgen um Form als um Inhalt gemacht, dann hätten die Vereinigten Staaten im Lauf von ein paar Jahren mit den Europäern das gewünschte Ergebnis erreicht. So hat er daraus nur einen unilateralen Pallawatsch gemacht.

Aber seien wir nicht zu negativ. Dieser Gipfel bringt Kroatien und Albanien in die Nato. Das reicht nicht ganz an Papas Leistungen bezüglich Deutschland heran, aber es ist immerhin etwas für die Geschichtsbücher. Sagen Sie, was Sie wollen, über George W. – er hat immerhin Albanien. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.4.2008)