Wilhelm Molterer ist unumstritten. Sagen alle in der ÖVP. Er führt wirklich. Sagen dieselben Quellen. Und sie sagen auch, wohin er führt: zurück in die Ära Schüssel. Die war schließlich erfolgreich für die Partei, zumindest lange Zeit. In jener inzwischen von manchen Funktionären verklärt betrachteten Zeit war die ÖVP mit ihrem Kanzler die unumstrittene Nummer eins, der Koalitionspartner verhielt sich zwar immer wieder recht seltsam, verfolgte aber wirtschafts- und gesellschaftspolitisch einen ähnlichen Kurs.

Erneuerung war in jenen Jahren nicht notwendig. Und viel Erneuerung wollte man sich auch nicht zumuten, als Parteiobmann-Stellvertreter Josef Pröll nach der 2006 verlorenen Wahl Perspektiven für die Partei entwickelte. Ein bisserl moderner wollte man halt sein - und das wär's auch schon gewesen. Dass so etwas wie eine Homo-Partnerschaft überhaupt in das Perspektivenpapier Eingang gefunden hat, hat ein paar dieser alten Funktionäre aufgeregt - jüngere aber meinen, man solle das Thema lieber abhaken, damit man es nicht immer wieder aufgezwungen bekommt. Josef Pröll wäre da eine modernere Ansage, der stelle immerhin die richtigen Fragen. Und er hänge nicht an den Lippen seines ehemaligen Chefs Schüssel, wie man es bei Molterer beobachtet haben will: Der jetzige Vizekanzler heische bei allen Sitzungen die Zustimmung des jetzigen Klubchefs. Das ist psychologisch verständlich, es ist auch eine Frage der Höflichkeit und zudem oft in der Sache vernünftig. Es wirkt bloß nicht sehr stark und eigenständig. Wäre Pröll da besser? Hießen dessen Chefs nicht auch Molterer und Schüssel?

Diese Fragen zu beantworten hat Zeit - denn in der Familie Pröll hat man Geduld. Onkel Erwin war fast zwölf Jahre Führungsreserve, ehe er an die Spitze nachrücken konnte. Er war in diesen Jahren loyal - auch diese Tugend liegt in der Familie. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.4.2008)