Der eine kritisiert die geschäftlichen Gepflogenheiten von Julius Meinl V. scharf. Der andere bewundert Wolfgang Schüssel "restlos", auch am grünen Rasen: Wilhelm (li.) und Erwin Rasinger.

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Dass "Willi" einst schnell, aber unrasiert schwamm und Erwin sein Geld schlecht anlegte, eruierte Renate Graber.

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STANDARD: Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.

Wilhelm Rasinger: Meinl-Kaffee, Präsident. Wissen Sie, dass Sie mir damit eine große Freude machen?

STANDARD: Habe ich gehofft. Meinl hat Sie wegen eines kritischen Artikels zu Meinl European Land, MEL, geklagt, da kann ein Tässchen nicht schaden. Ihr Bruder als Arzt und ÖVP-Gesundheitssprecher bekommt die magenschonende Variante. In Hellblau.

Erwin Rasinger: Sehr nett, sehr passend. Danke.

Wilhelm R.: Ich feiere bald meinen 60er nach; da will ich Meinl-Kaffee aufwarten. Wissen Sie, als dieser Kaffee auf den Markt kam, war die Welt noch in Ordnung, heute haben Meinls ein Generationenproblem. In der Schule ist der Fünfer die schlechteste Note.

STANDARD: Sie haben gleich die nächste Klage am Hals. Sie stammen großväterlicherseits aus einer wohlhabenden Bauunternehmerfamilie, es gibt sogar eine Straße in Mauer, die nach Ihrem Opa heißt. Legen Sie, wie Ihr Bruder, auch in österreichischen Aktien an?

Erwin R.: Derzeit nicht, ich baue gerade meine Wohnung um; das ist meine neue Sparkasse. Aber früher, da hatte ich Aktien - er (deutet auf seinen Bruder) hat mich gemanagt.

STANDARD: Und, hatten Sie auch MEL-Papiere im Portefeuille?

Erwin R.: Nein, ich war nämlich immer der Meinung, man soll deutsche Aktien kaufen.

STANDARD: Viel verdient dabei?

Erwin R.: Nicht so. Ich habe den Aufschwung nicht mitgemacht damals. Bin vorher ausgestiegen.

STANDARD: Wie praktisch. Haben Sie innerfamiliäre Regressforderungen gestellt?

Erwin R.: Aber nein. Seitdem ich denken kann, hat sich mein Bruder mit Aktien beschäftigt. Er war der Musterknabe in der Familie, unsere Eltern - der Vater war Techniker - haben ihm die Geldangelegenheiten anvertraut, er war daheim der Rechner, der Manager. Er hat alle Auf- und Abschwünge an der Börse erlebt. Er hat ja dann auch Wirtschaft studiert.

STANDARD: Sie zunächst auch.

Erwin R.: Ja, Willi war schon ein wenig Vorbild ...

STANDARD: Ich dachte, das sei John F. Kennedy gewesen?

Erwin R.: Wieso wissen Sie das? Ja, aber heute würde mir eher Martin Luther King imponieren. Aber damals war mein Bruder eine Zeitlang sogar mein sportliches Vorbild: Nach seinem einjährigen Aufenthalt in den USA schwamm er im familieneigenen Swimmingpool auf und ab wie ein kleiner Rogan ...

STANDARD: ... auch so wasserschlüpfrig glattrasiert?

Wilhelm R.: Nein.

Erwin R.: Ich habe ihn also auch bei der Studienwahl imitiert, aber die Betriebswirtschaft war nicht meins. Mir geht es in der Wirtschaft zu viel um Geld, da lebt zu viel Gier. Ich liebe meinen Beruf als Arzt und arbeite gern in Österreich, weil, was die Qualität des Gesundheitswesen betrifft, leben wir auf einer Insel der Seligen. Wir haben nur zwei Probleme: die Spitalslastigkeit und die Tatsache, dass die Sozialversicherungsbeiträge für die Finanzierung nicht reichen.

STANDARD: Sie drücken das euphemistisch aus. Die Einnahmen aus der geplanten Vermögenszuwachssteuer sollen ins defizitäre Gesundheitswesen fließen, halten Sie das für klug? In der ÖVP ist die Steuer umstritten.

Erwin R.: Ich halte den vermehrten Einsatz von Steuermitteln für das Gesundheitswesen für mehr als fair, das entspricht auch dem europäischen Trend. Aber von mir aus kann man auch die Tabaksteuer dafür nehmen.

STANDARD: Hauptsache Geld vom Steuerzahler? Ich habe das Archiv genau studiert, aber vom Sparen haben Sie noch nie geredet. Die Krankenkassen machen aber Riesenverluste.

Erwin R.: Es heißt immer, die Ärzte verstehen nichts vom Sparen. Stimmt aber nicht: Man kann vernünftig sparen, rationalisieren bei übermäßigem Luxus - darf aber nicht bei der notwendigen Versorgung für alle rationieren. Dann lieber zusätzliche Steuermittel. Die ganze Welt schaut auf uns, weil wir so gut sind, und wir regen uns über zwei Prozent Minus bei den Krankenkassen auf.

STANDARD: In absoluten Zahlen: flotte 426 Mio. Euro im laufenden Jahr.

Erwin R.: Bei einem Gesamtfinanzierungsvolumen von 12,8 Mrd. Wo ist das Problem?

STANDARD: Sie als Anlegervertreter wollen, dass alle, auch Fonds und Stiftungen, von der Gewinnzuwachssteuer erfasst werden. Und dann ab mit dem Geld in die Spitäler?

Wilhelm R.: Mir ist wichtig, dass die Besteuerung moderat, ausgewogen und fair ist. Es sollen alle erfasst werden; nicht einige wenige, die sich nicht rühren können, während die anderen in Stiftungen oder ins Ausland ausweichen und sich's wieder richten. Wellness-Oasen für Steuerminimierer und Special Purpose Vehicles in Jersey oder Liechtenstein? Das kann's ja nicht sein. Was man mit den Einnahmen macht, ist wieder eine andere Sache.

STANDARD: Sie haben zuerst von der Gier in der Wirtschaft geredet. Sie sind berühmt für Ihre Weihnachtsfeste für Obdachlose, Ihr Engagement für Drogensüchtige und Arme. Politiker und praktizierender Altruist?

Erwin R.: Unsere Mutter war sehr sozial engagiert, ich hab das von ihr. Ein warmes Herz zu haben, das ist schon eine gute Eigenschaft - ich kenne sehr viele, die ein hartes Herz haben. Nur gierig zu sein macht nicht viel Sinn im Leben. Ich wundere mich ja immer, wie viele reiche Leute und Stiftungen es in Österreich gibt und wie gering deren Spenden sind. In den USA ist das anders, nehmen Sie nur Bill Gates: toll. Ich selbst spende viel, unterstütze rund zehn Patienten, bei denen ich den Eindruck habe, ein Medikament allein reicht nicht.

STANDARD: Und Ihr Bruder bringt das weiche Herz in den harten Kapitalismus? Ich frage so naiv, weil er einmal "Mutter Teresa des österreichischen Kapitalmarkts" genannt wurde. In börsennotierten Unternehmen sieht man es anders: Da werden Kleinanlegervertreter wie Sie, die bei Squeeze-outs, also Börsenabgängen, mehr Geld erkämpfen, gern mit der Mafia verglichen.

Wilhelm R.: Ich versuche, dem Kapitalmarkt ein bisserl die Schärfe zu nehmen.

STANDARD: Warum?

Erwin R.: Das kann ich beantworten: Willi hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.

Wilhelm R.: Ah, geh.

STANDARD: Ihre Weste hat Flecken abbekommen: Im Rahmen der MEL-Affäre kam zutage, dass Julius Meinl V. dem Interessenverband für Anleger, IVA, ein paar Jahre lang Geld überwiesen hat: 31.000 Euro, die Sie laut Ihrer Darstellung auf einem Treuhandkonto für allfällige Rechtskosten der IVA geparkt haben - schiefe Optik. Haben Sie das Meinl-Geld zurückgezahlt - oder finanzieren Sie damit jetzt den Prozess mit Meinl?

Wilhelm R.: Genau das tue ich. Aber von wegen schiefe Optik: Das war eine gezielte Aktion gegen mich, Meinl hat versucht, von sich abzulenken und alle rundherum anzupatzen. Er hat ja sogar der Finanzmarktaufsicht FMA und der Wiener Börse mit Klagen gedroht.

STANDARD: Ihr Bruder Erwin ist einer der engsten Freunde Schüssels, kandidiert bei Wahlen auf dem Listenplatz hinter ihm, spielt samstags immer Fußball mit ihm ...

Erwin R.: ... ja, ich bewundere Wolfgang Schüssel restlos. Er ist auch ein so toller und eleganter Fußballer. Er ist begeisterter Austrianer, ich bin begeisterter Rapidler ...

STANDARD: ... was ich fragen wollte: Sind Sie auch bei der ÖVP?

Wilhelm R.: Nein, und ich bin froh, dass ich keinen Parteichef habe. Ich wähle die ÖVP, so lange mein Bruder kandidiert, aber danach?

Erwin R.: Wirst du keine Alternative haben.

STANDARD: Dass Sie seit sechs Jahren im Aufsichtsrat des "Friedrichshof" im Burgenland sind, der von Otto Mühls "aktionsanalytischer Kommune" gegründet wurde, passt nicht so recht ins konservative Bild. Heute ist das eine Genossenschaft, die sich großteils aus Ex-Mühl-Kommunarden zusammensetzt,

Wilhelm R.: Das ist aber hochspannend für mich. Da haben Leute mit einer gewissen Sehnsucht nach einer besonderen Lebensform gelebt ...

STANDARD: ... sich dem autoritären Führer Otto Mühl unterwarfen, der letztlich strafrechtlich verurteilt wurde und dessen Kommune sich 1990 auflöste ...

Wilhelm R.: ... ja, sie wurden alle sehr unterschiedlich und sehr stark von der Realität eingeholt. Mein Beitrag als Nicht-Ex-Kommunarde ist halt, eine andere Sichtweise in die Genossenschaft einzubringen.

STANDARD: In Deutschland wird das Phänomen Gier anhand der Managergehälter abgehandelt. Nimmt die Gier zu?

Erwin R.: Ja, sie hat zugenommen, und die Gier ist überall, wird aber niemanden glücklicher machen. Angesichts völlig realitätsferner Gehälter und absurder Abfertigungen, die ausgezahlt werden, wenn Firmen in den Sand gesetzt werden, fühlen sich viele Leute regelrecht an der Nase herumgeführt. Reichtum hat es immer gegeben und wird es immer geben, problematisch wird es aber, wenn eine Schieflage entsteht, der soziale Ausgleich verlorengeht.

Wilhelm R.: In der Wirtschaft geht es immer um Zuwachs, um das Mehr. Es kommen jetzt aber zusehends Leute in Führungspositionen, die persönliche Defizite haben, nach Anerkennung lechzen, nach Bestätigung. Die das, was sie verdienen, überhaupt nicht mehr brauchen, denn ob Sie fünf oder 20 Millionen verdienen, ist völlig egal. Wissen Sie, Sie dürfen nicht von sich auf andere schließen, wenn Sie sich alles leisten können ...

Erwin R.: ... sich den dritten Rolls-Royce kaufen, wird das Leben auch langweilig. Haben Sie drei Ferienwohnungen zu bespielen, ist das mehr Stress als der beim Hotelbuchen.

STANDARD: Sagt Wolfgang Flöttl auch immer in Bezug auf seine Häuser auf Bermuda, auf den Bahamas, in London.

Wilhelm R.: Ab einer gewissen Größenordnung ist Geld für die Leute nur Gradmesser ihrer Wichtigkeit, Bedeutung, ihres Einflusses ...

STANDARD: ... ihrer Potenz?

Wilhelm R.: Ja, Potenzmesser. Wer schaut denn etwa diese sinnlosen Millionär-Ranglisten an?

STANDARD: Ich. Mit Begeisterung, zum Gustieren.

Wilhelm R.: Ja, Journalisten - und Manager, die sich mit ihren Konkurrenten messen. Diese Konditionierung auf Mehr und Wachstum liegt auch daran, dass wir von Generationen erzogen wurden, die einen oder beide Weltkriege erlebten und aufbauen, sparen, zugewinnen mussten. Aber heute? Die Leute kommen gar nicht drauf, dass viel mehr Spaß liegt im ...

Erwin R.: ... Fahrradfahren ...

Wilhelm R.: ... du, ich war am Sonntag auf einer Skitour auf dem Schneeberg - das ist es.

STANDARD: Niedlich. Weil wir bei der Bawag waren: Helmut Elsner wurde nach seiner Operation beim Kur-Antritt von Mitpatienten ausgebuht. Was dachten Sie als Männer mit großem Herzen, als Sie diese Bilder sahen?

Erwin R.: Ruhm und Untergang liegen eng nebeneinander.

Wilhelm R.: Nicht die feine Art, aber die Rache des kleinen Mannes, die Wirklichkeit. Jeder versucht sich zu wehren, wie er kann.

STANDARD: Gutes Stichwort für die letzte Frage: Worum geht's im Leben?

Erwin R.: Glücklich sein und andere glücklich machen.

Wilhelm R.: Zufrieden leben und so, dass man beim Sterben das Gefühl haben kann, einen positiven Beitrag geleistet zu haben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6.4.2008)