Jugendkultur wurde mittels zaghafter langhaariger Randälchen bei Rockkonzerten und der berüchtigten Uni-Ferkelei ohnehin bis weit in die 1980er-Jahre hinein medial eher auf den Chronik- als auf den Kulturseiten der heimischen Presse verhandelt.

Am besten funktioniert Musik damals wie heute als Soundtrack der Beschwichtigung. Wie brachte das John Cale, damals Mitglied der düsteren und weitestgehend unbeachteten New Yorker Rock-Nihilisten The Velvet Underground, auf den Punkt: "Rock 'n' Roll ist nur eine weitere Möglichkeit, um die Kids von der Straße fernzuhalten." Dementsprechend sahen dann auch die Hitparaden aus. Von wegen "Zeitbarometer": Während man in Deutschland zu Peter Alexanders "Der letzte Walzer" tanzte und sich von Heintje mit Erbschleicher-Hits wie "Heidschi Bumbeidschi" oder "Mama" in den trotzig antiaufklärerischen Schlaf wiegen lassen wollte, setzte man in Österreich auf ähnliches Material. Adriano Celentano sorgte mit "Azzurro" für Urlaubslaune und Weltflucht ebenso, wie Louis Armstrong mit "What A Wonderful World" oder the Small Faces mit "Lazy Sunday" satte, kaum getrübte Behaglichkeit verströmten.

Dass 1968 die Rolling Stones bereits als Multimillionäre mit "Street Fighting Men" nicht einmal in die Nähe der revolutionären Massen gelangten, lässt wohl auch auf eines schließen. Selbst die aufsässige Zielgruppe an den Unis mochte ihnen schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vertrauen. Wer hört schon gern Leuten zu, die sich zu Protestkundgebungen in der Limousine fahren lassen. John Cale hat immer noch Recht. Und Bob Dylan war schon 1966 der "Protest" schnurz geworden. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 05/06.04.2008)