Das nächste Baby von ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer und Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl hat das Licht der Welt erblickt: die Gesundheitsreform. Im Gegensatz zu arbeitsmarktpolitischen Initiativen, die allesamt brav von der rot-schwarzen Regierung umgesetzt werden, wird die Gesundheitsreform aber nicht sehr alt werden.

Zu viele Akteure haben ein Interesse an einem Scheitern. Oder sie wollen die Reform zumindest zu einem Reförmchen herunterverhandeln.

Nehmen wir die Spitäler her. Alle Experten sind sich einig: Es gibt zu viele Akut-Betten; nach Operationen werden Patienten oft länger als nötig im Krankenhaus behalten, weil es sich finanziell rechnet; regional gibt es eine schlechte Abstimmung.

Das geschätzte Einsparpotenzial reicht von einigen hundert Millionen Euro bis zu mehreren Milliarden. Theoretisch. Denn praktisch wird es das nicht spielen. Weil Spitäler Länderkompetenz sind, und Länder kein Interesse haben, Kompetenzen, sprich Macht, abzutreten.

Spitäler sind schließlich lokale Arbeitgeber, oft keine kleinen. Und welcher Landespolitiker will sich schon vorhalten lassen, dass in seiner Region Arbeitsplätze verlorengegangen sind, nur weil es aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist, ein Spital zuzusperren und die Kompetenzen in einem anderen zu bündeln. Das Hemd liegt einem näher als der Rock.

Dazu kommt das Existenzberechtigungsproblem. Ehemalige Landespolitiker wissen zu berichten: Oft ist es schwierig, die Tagesordnung von Landtagssitzungen mit halbwegs relevanten Themen vollzukriegen. Für die wesentlichen Dinge ist ohnehin schon der Bund zuständig. Da wird man sich in den Ländern nicht auch noch die wenigen Kompetenzen, die man hat, wegnehmen lassen. Sinnhaftigkeit hin oder her.

Und was realpolitisch am meisten gegen eine Reform mit Zustimmung der Länder spricht: Irgendwo wird immer grad gewählt. Heuer sind noch die Tiroler dran. Anfang 2009 sind es die Kärntner und Salzburger, Ende 2009 die Vorarlberger und Oberösterreicher. 2010 dürfen dann die Steirer und die Burgenländer einen neuen Landesfürsten wählen, und so weiter und so fort.

Seit Michael Häupl wissen wir aber: "Wahlkampf ist Zeit fokussierter Unintelligenz." Heißt übersetzt: Sachlich vernünftig kann man in Vorwahlzeiten nicht diskutieren.

Ohne Bereinigung des Kompetenz-Wirrwarrs zwischen Bund und Ländern verdient eine Gesundheitsreform aber nicht diesen Namen.

Freilich ist auch noch lange nicht gesagt, dass der Rest des Hundstorfer-Leitl-Papiers in die Realität umgesetzt wird. Die Ärzte haben bereits ihren Widerstand angekündigt. "Vielleicht fallen einmal zufällig alle EDV-Anlagen gleichzeitig aus", droht Ärztekammer-Präsident Walter Dorner unverblümt. Oder vielleicht beteilige man sich nicht mehr am elektronischen Arzneimittelbewilligungssystem.

Die Blockademöglichkeiten der Ärzteschaft sind also vielfältig. Und man darf gespannt sein, ob es die Politik im Ernstfall wirklich auf einen Konflikt anlegt. Die "Götter in Weiß" zählen schließlich zu jenen Berufsgruppen mit den höchsten Sympathie- und Vertrauenswerten. Wenn der Doktor sagt, die Regierung hat unser Gesundheitssystem kaputtgespart, dann wird ihm das geglaubt. Und wenn die Herr'n Doktoren auf der Straße gegen die Sparpläne mobil machen, dann werden sie dafür mehr Sympathien ernten als den Politikern lieb ist.

Die Sozialpartner sind unter Rot-Schwarz zwar wiedererstarkt, allmächtig sind sie aber nicht. Ihr Papier ist als das zu sehen, was es ist: ein erstes Konzept. Die wirkliche Arbeit beginnt erst.

Wirtschaftskammer-Präsident Leitl geht davon aus, dass man auf die Vermögenszuwachssteuer verzichten wird können, wenn man alle Vorschläge des Sanierungsplans umsetzt. Nur wenn es zum "Kompromiss vom Kompromiss vom Kompromiss" komme, brauche man die neue Steuer. Wir dürfen uns also endgültig mit der "V-Steuer" anfreunden. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.4.2008)